Aufweichung von Lärmgrenzwerten: Autos könnten lauter werden
Eine UN-Arbeitsgruppe für Wirtschaft will neue, standardsetzende Messmethoden für Fahrzeuglärm beschließen. Daran hat Porsche mitgearbeitet.
BERLIN taz | Autos könnten künftig deutlich lauter werden als bisher. Die zuständige Arbeitsgruppe der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UN-ECE) will in dieser Woche in Genf ein neues und verbindliches Standardverfahren zur Messung von Fahrzeuglärm beschließen.
Dieses standardsetzende Messverfahren soll dann in 33 europäischen Staaten sowie in Japan, Australien, Neuseeland und Südafrika gelten. Die EU verzichtet auf eine eigene Regulierung und übernimmt die Vorschläge der Genfer Arbeitsgruppe, die seit Dienstag in Genf in der Schweiz tagt.
Durch die neuen Messmethoden würden die Lärmgrenzwerte für Autos aufgeweicht, kritisiert Werner Korn vom Vorstand des alternativen Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Aktuell gelte für Pkw ein europaweiter Grenzwert von 74 Dezibel, Sonderregeln für so genannte Sportwagen erlaubten bis zu 75 Dezibel. "Die neue Messmethode zielt darauf ab, Lärmspitzen, die etwa bei hohen Drehzahlen auftreten, geringfügig zu reduzieren." Der typische Geräuschpegel unter normalen Fahrbedingungen könne jedoch durch das neue Verfahren um bis zu zehn Dezibel steigen. "Das nehmen Menschen als eine Verdoppelung des Lärms wahr", so Korn.
Auch künftig solle es für besonders laute Sportwagen Sonderregelungen geben, sagte Nina Ranshaw der taz. Ranshaw ist beobachtendes Mitglied der Genfer Arbeitsgruppe und vertritt die Nichtregierungsorganisation "Transport and Environment". "Ein Sportwagen könnte künftig so laut sein wie ein Rennwagen", kritisiert Ranshaw. Und: "Was jetzt in der Arbeitsgruppe auf dem Tisch liegt, wurde von Porsche entwickelt." Dies sei unglaublich. Schließlich sei der Straßenverkehrslärm in Europa für rund 50.000 Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Die EU müsse die Kontrolle über die Lärmschutzvorgaben für Fahrzeuge zurückgewinnen - und dieses für den Gesundheitsschutz der Bürger wichtige Thema endlich ernst nehmen.
Porsche weist indes die Vorwürfe der Umweltverbände zurück. Der Porsche-Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe sei nur einer unter vielen, so Unternehmenssprecher Hans-Gerd Bode. "Er allein kann gar nichts entscheiden." Zielsetzung von Porsche sei es auch nicht, Fahrzeuge lauter zu machen - im Gegenteil. "Dafür investieren wir hohe Summen."
Durch das neue Messverfahren würden die Fahrzeuge auch nicht lauter, so Porsche-Sprecher Bode. Das neue Verfahren diene lediglich dazu, ein realistisches Abbild der Lärmemissionen zu schaffen. Allerdings könne ein Sportwagen durchaus lauter sein als ein normales Fahrzeug, wenn der Fahrer seine Höchstleistung abrufe. Im innerstädtischen Verkehr seien Porsche-Wagen aber nicht lauter als andere Fahrzeuge. Bode: "Die Aufregung der Verbände können wir nicht verstehen."
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart