: Im falschen Umfeld gewesen
SPITZELEI Der IG Metall-Sekretär Lennard Aldag wurde vom Verfassungsschutz in Niedersachsen ausspioniert. Einige Daten bleiben beim Geheimdienst unter Verschluss
Der niedersächsische Verfassungsschutz (VS) spitzelte in der Ära des CDU-Innenminister Uwe Schünemann hemmungslos.
■ Mindestens sieben Journalisten wurden in seiner Amtszeit illegal vom Inlandsgeheimdienst ins Visier genommen – darunter Rechtsextremismus-Expertin und taz-Autorin Andrea Röpke. Bei ihr versuchte es der VS 2012 durch Datenlöschung zu vertuschen.
■ Ihr Anwalt Sven Adam aus Göttingen war ebenfalls Opfer illegaler Bespitzelung, vermutlich weil auch Castor-Gegner zu seinen Mandaten zählten.
VON ANDREAS SPEIT UND PETER MÜLLER
Mehr als zwei Jahre lang hat der niedersächsische Verfassungsschutz (VS) den Lüneburg-Celler IG Metall-Sekretär Lennard Aldag beobachtet. Nach dem Ende der Observation unterrichtete der Inlandsgeheimdienst Aldag jedoch nicht von sich aus. Erst durch ein Auskunftsersuchen Aldags räumte das Amt die Beobachtung ein. „Diese Maßnahme wirft Fragen über das Selbstverständnis des Verfassungsschutzes auf“, sagt Aldag der taz. Er sorgt sich, dass durch die Beobachtung weitere Personen oder die Organisation ins Visier geraten sein könnten.
Bereits am 15. September vorigen Jahres hatte Aldags Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam das Auskunftsersuchen gestellt. Aus der kürzlich eingetroffenen Antwort geht hervor, dass Aldag mindestens von Juli 2011 bis September 2013 beobachtet wurde. In dieser Zeit engagierte sich Aldag für die IG Metall und den DGB auch im Bündnis „Gegen Rechts“ und im Widerstand gegen die Castor-Transporte.
In seinem Schreiben führt der VS diverse Veranstaltungen und Kundgebungen auf, bei der Aldag als Versammlungsleiter oder Redner agierte. „Es ist absurd, dieses Engagement eines Gewerkschafters zu kriminalisieren und in die Nähe der Verfassungsfeindlichkeit zu rücken“, findet Aldag.
Der Geheimdienst teilt Aldag weiter mit, dass er die Daten löschen werde, da sie „zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich seien“. Aus dem Schreiben geht aber auch hervor, dass weitere Informationen über ihn gesammelt wurden, über die er keine Auskunft erhielt. Das lässt Raum für Spekulationen über die Quellen zu. Aldag vermutet, dass ein V-Mann geschützt oder eine weitere nachrichtendienstliche Maßnahme verborgen bleiben soll.
„Hier ist eine rote Line überschritten“, schimpft Matthias Richter-Steinke, Regionsgeschäftsführer des DGB in Nordost-Niedersachsen: „Es ist ein Skandal, dass der Verfassungsschutz unser Engagement für eine solidarische Gesellschaft offensichtlich als undemokratisch erachtet.“ Nicht weniger empört sich Rainer Näbsch, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Celle-Lüneburg: „In welchem Staat leben wir, in dem die Gewerkschaften zu Überwachungsobjekten werden“, schimpft Näbsch. „Das kennen wir eigentlich nur aus diktatorischen Regimen.“
Für die weitere Auseinandersetzung hat die IG-Metall Aldag einen umfänglichen Rechtschutz zugesagt. Aldag wirft die Frage auf, was dieser Vorgang über das Demokratieverständnis des damaligen Innenministers Uwe Schünemann aussagt. „Alle, die sich nicht zu hundert Prozent mit der politischen Meinung eines Herrn Schünemann identifizierten, wurden anscheinend als Extremisten eingestuft“, sagt der Gewerkschafter in Anspielung auf frühere Skandale. 2013 war bekannt geworden, dass der Geheimdienst mehrere Journalisten ausspionierte.
Ein VS-Sprecher sagte auf Anfrage, er dürfe sich nicht zu Einzelfällen äußern. Es würden aber keine Gewerkschaften beobachtet – wohl aber Personen, sofern sie sich in einem extremistischen Umfeld bewegten.