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Archiv-Artikel

Über der Elbe

PUZZLE Tollerort ist der kleinste der vier Containerterminals im Hamburger Hafen. Schiffsplaner Frank Wagner steuert hier bei bester Aussicht das Be- und Entladen der dicken Frachter. Je dicker, desto lieber

Von Bord

■ Am Terminal Burchardkai wurden 1968 die ersten Container in Hamburg abgefertigt. Heute wird an der 2.850 Meter langen Kaimauer jeder dritte Container in Hamburg umgeschlagen. Es gibt zehn Liegeplätze, 30 Containerbrücken, vier Bahnkräne und acht Gleise.

■ Am jüngsten Terminal Altenwerder wurden seit 2002 mehr als 20 Millionen Container umgeschlagen. Die Kaimauer ist 1,4 Kilometer lang, es gibt vier Liegeplätze, vier Bahnkräne, sieben Gleise und 15 Containerbrücken. Mit 16,70 Metern bietet Altenwerder den größten Liegeplatz-Tiefgang in Hamburg.

■ Der Terminal Tollerort ist mit 1.240 Metern Kaimauer der kleinste Terminal der HHLA in Hamburg. Es gibt vier Liegeplätze, zwölf Containerbrücken, drei Bahnkräne und fünf Gleise.

■ Der Terminal Waltershof der Eurogate-Gruppe beherbergt Deutschlands größten Bahnhof für den Umschlag vom Schiff auf die Schiene. Aktuell stehen hier elf Ganzzug-Gleise und acht schienengeführte Kranbrücken zum Be- und Entladen der Containerwaggons zur Verfügung.

Vielleicht hat Frank Wagner den schönsten Ausblick, den man an einem Arbeitsplatz so haben kann. Hebt er den Blick von seinen zwei riesig breiten Monitoren im Großraumbüro im 7. Stock, breitet sich unter ihm die Elbe aus. Die Köhlbrandbrücke ist so nah, dass er die Lastwagen zählen könnte, die drüber fahren. Rollt eine Stauwelle auf Hamburg zu, weiß er das als einer der ersten. Auf der anderen Uferseite ragen Fernsehturm und Michel in den grau verhangenen Mai-Himmel. Irgendwo da beim Michel in der Neustadt wohnt er.

Wagner ist 36, hat Betriebswirtschaft studiert und kommt aus der Luftfahrt. Bei Airbus war er eine Weile als Student beschäftigt, schrieb dort seine Diplomarbeit. Als er 2007 zur HHLA kam, kümmerte er sich erst um „Logistikgeschichten und Terminalerweiterungen“. Vor vier Jahren wechselte er dann ins Tagesgeschäft – als Schiffsplaner mit der schönen Aussicht. Und dem frühen Dienstbeginn. Ein Frühaufsteher ist er eigentlich nicht, sagt er, trotzdem macht er am liebsten die Frühschicht. Um 7 Uhr geht die los. Oft ist er schon um 5.30 Uhr hier, um die in den Seilen hängende Nachtschicht abzulösen. Da muss er schon schrecklich früh hoch, aber nun, sagt er, es gibt eben nicht nur Sonne. Sie versuchten, immer alles schnell durchzuplanen, damit sie möglichst lange aus dem Fenster schauen können, sagt er und grinst.

Seine Arbeit ist ein kurzfristiges Geschäft. Etwa 24 Stunden, bevor ein Schiff kommt, schicken die Reeder Listen mit der Ladung: Wie viele Container sind an Bord, wie schwer sind die, wo sollen die hin, gibt’s Sonderfracht wie einen für den Transport in Teile zerlegten Airbus? Wenn er diese Ladung an seinem Rechner in den Frachter staut, sieht es aus, als verkaufe er an der Theaterkasse Karten. Jeder Platz für einen Container wird angezeigt und in die kleinen Quadrate schiebt Wagner Container als rote und grüne Kästchen rein.

Die großen Frachter teilen sich meist vier oder fünf Reeder. Früher hatte jeder sein eigenes Schiff, aber das rechnet sich heute für die meisten nicht mehr. Also wird Frachter-Sharing gemacht. Auch bei den großen Schiffen, die in „Diensten“ fahren, also immer auf den gleichen Routen im Kreis. Die fahren ihre Häfen in Europa ab, drehen ihre Runden in Asien und kommen dann zu Wagner, zum Tollerort. Bei diesen Schiffen weiß er, was auf ihn zukommt. Weiß in etwa, welche Ladung er wie im Schiff stauen muss, damit es wieder in See stechen kann.

Früher haben Wagners Job vor allem altgediente Kapitäne gemacht, die jahrzehntelang zur See gefahren sind und an Land mussten oder wollten. Zwei dieser „grauen Gänse“, wie sie hier genannt werden, sind immer noch im Team. Es gibt auch Kollegen, die früher draußen am Kai Säcke geschmissen haben und sich langsam ins Büro reingearbeitet haben.

Wagner mag die richtig großen Frachter. Klar, man kann auch mal ein paar Hundert Container auf ein kleines Feederschiff stauen, das nach Skandinavien fährt. Aber spannend wird es für ihn erst, wenn es groß wird. Und wenn es mit einem Schiff mal Theater gibt, fährt es trotzdem irgendwann weg und es kommt ein neues.

ILKA KREUTZTRÄGER