: Zwei Pläne, ein Spiel
HANNOVER 96 Klubchef Martin Kind geht vom Ligaverbleib aus. Aber er zweifelt an Manager Dirk Dufner
HANNOVER taz | Wer Martin Kind als Kopfmensch bezeichnet, liegt kaum falsch. Der Aufstieg vom Hörgeräteakustiker zum Geschäftsführer der Kind-Gruppe mit weltweit 2.400 Mitarbeitern zeigt, dass er bei seinen Denkprozessen oft zu richtigen Ergebnissen gelangt. Doch dass sich eine Erfolgsgeschichte aus der Wirtschaft nicht auf den Sport übertragen lässt, diese Erkenntnis ist beim 71-Jährigen inzwischen verankert. Speziell der Profifußball gehorcht Mechanismen, die Martin Kind mitunter nächtelang grübeln lassen.
„Meine persönliche Analyse aus dieser Saison habe ich angestellt“, verrät er: „Die ersten Überlegungen besprechen wir nach der Saison.“ Der Präsident von Hannover 96 ist davon überzeugt, dass die „Roten“ dem Abstiegskampf entkommen können. Mit einem Sieg im Heimspiel gegen den SC Freiburg am Samstag wären die Niedersachsen gerettet. Aber schon ein Remis wäre eine Rechnung mit zu vielen Variablen, die selbst Kind nicht anstellen möchte. „So wie sich die Mannschaft in Wolfsburg, gegen Bremen und zuletzt in Augsburg präsentiert hat, bin ich guten Mutes. Wir sind wieder aktiver Player. Das heißt aber, dass wir gewinnen sollten.“
Seit Michael Frontzeck die Verantwortung übernahm, hat das Team Leidenschaft und Selbstvertrauen zurückgewonnen. Die Skepsis, dass Frontzeck nur die üblichen Phrasen zu bieten hätte, sind verflogen. Der kahlköpfige Pragmatiker hat die Mannschaft offenbar erreicht. Und macht seine Arbeit so gut, dass Kind dem 51-Jährigen plötzlich eine Weiterbeschäftigung über das Saisonende hinaus in Aussicht stellt. „Wenn er den Klassenerhalt mit dieser Mannschaft erreicht, ist er unser erster Ansprechpartner in der Trainerfrage“, versichert Kind, der sich letztlich zu lange schützend vor Vorgänger Tayfun Korkut gestellt hatte.
Mit dem Trainerwechsel sei die Wende gelungen, sagt Kind. Sollte es doch schiefgehen, das versichert Kind mit Nachdruck, „wären wir auch in der Zweiten Liga voll handlungsfähig“. Für das Unterhaus sei die Lizenz ohne Auflagen und Bedingungen erteilt worden. Zwar würde das Budget auf rund 50 Millionen Euro schmelzen, aber an Personalkosten könnten noch 23, vielleicht sogar 25 Millionen ausgegeben werden. Neben Leitfigur Lars Stindl würden wohl auch Torwart Ron-Robert Zieler oder Stürmer Joselu von ihrer Ausstiegsklausel Gebrauch machen, sagt Kind, aber: „Der Kader bricht nicht auseinander.“ Alles auf die Karte Wiederaufstieg hieße die Devise.
Damit es in Hannover nicht so weit kommt, sind die 96-Berufsfußballer am Mittwoch wieder ins ostwestfälische Harsewinkel-Marienfelde aufgebrochen, um sich hinter Klostermauern vorzubereiten.
Und um den Fokus nicht zu verlieren, werden morgen beim Freiburg-Spiel auch keine Zwischenstände von den anderen Partien eingeblendet. „Meine Spieler sollen sich auf das Wesentliche konzentrieren“, hat Frontzeck verfügt.
Während es für den Coach erfreulich aussieht, hat der Manager einen schweren Stand. Bei Dirk Dufner, der vor seinem Wechsel nach Hannover beim Gegner aus Freiburg tätig war (2007 bis 2013), deutet vieles auf einen Abschied hin. „Wir müssen alles hinterfragen“, antwortet Kind auf die Frage nach Dufner und fügt hinzu, „dass wir für unsere Verhältnisse sehr deutliche Transferentscheidungen getroffen, einen sehr hohen Betrag für Transferaufwand freigegeben und die Lohnsumme der Mannschaft erhöht haben.“ Den Tabellenplatz als Ertrag gegengerechnet, ergibt das ein eher schlechtes Zwischenzeugnis für den mit der Kaderplanung beauftragten Dufner.
Was aber aus dieser unbefriedigenden Saison wirklich folgt, will Kind erst bei einer „offenen, selbstkritischen Analyse“ selbst mit den Beteiligten besprechen. Auch wenn der Kopfmensch sich bereits seine Gedanken gemacht hat. FRANK HELLMANN