: Neues Maß des Wirtschaftens
NACHHALTIG Die taz präsentiert ihre Gemeinwohlbilanz. Ein Fazit: Es ist noch viel Luft nach oben, gerade für sie als Pionierin der Bewegung
Eine Wirtschaftsweise, bei der es nicht um den Profit geht, sondern um das Gemeinwohl, steht für die taz seit ihrer Gründung im Vordergrund. Jetzt hat sie prüfen lassen, ob sie das auch als Firma lebt. Am Mittwoch stellte sie in Hamburg zusammen mit neun weiteren Unternehmen aus dem Raum Berlin-Brandenburg und Hamburg ihre Gemeinwohlbilanz vor. Wie hat die taz mit Blick auf soziale, ökologische und demokratische Werte gewirtschaftet?
Das Ergebnis sieht auf den ersten Blick ernüchternd aus: 395 von 1.000 möglichen Punkten. „Das ist nicht viel dafür, dass wir sagen, wir hätten die Gemeinwohlökonomie erfunden“, räumt taz-Geschäftsführer Andreas Bull ein. Allerdings hat keines der nach den Kriterien der Gemeinwohlökonomie (GWÖ) zertifizierten Unternehmen mehr als 600 Punkte erreicht.
Und die taz sieht sich mit einem besonderen Problem konfrontiert: „Wir haben kein Regelwerk, dass den MitarbeiterInnen die Einhaltung ökologischer Standards vorschreibt“, sagt Bull. Es sei ein Spezifikum der taz mit ihrer flachen Hierarchie, dass sie über ein solches Instrumentarium nicht verfüge. Dass viele MitarbeiterInnen aus eigenem Ethos die entsprechenden Standards einzuhalten versuchten, falle dabei leider unter den Tisch.
Die Gemeinwohlökonomie als ausformulierte Alternative zum gegenwärtigen Kapitalismus geht auf den Österreicher Christian Felber zurück, der vor fünf Jahren ein Buch mit dem gleichnamigen Titel veröffentlicht hat. Zusammen mit Unternehmen aus dem Umfeld der globalisierungskritischen Bewegung Attac hat er begonnen, die Wirtschaft umzupolen. Als Instrument dafür gibt es inzwischen eine Matrix aus 17 Feldern, mit der bilanziert und am Ende zertifiziert werden kann, in welchem Maß Unternehmen zum Gemeinwohl beitragen.
Gut schneidet die taz ab wegen der geringen Spreizung der Gehälter – allerdings auf niedrigem Niveau. Die taz rabattiert die Anzeigen finanzschwacher Nichtregierungsorganisationen. Ihre Berichterstattung versucht, benachteiligten Gruppen Gehör zu verschaffen. Ihre von vielen Förderern unterstützte Panterstiftung vergibt einen Preis für zivilgesellschaftliches Engagement.
Ökologisch tut sie sich jedoch schwer. Die Büroorganisation fällt im Vergleich zu den ökologischen Kosten des Zeitungsdrucks kaum ins Gewicht. Doch auch hier gibt es Bewegung: „Wir konnten unsere letzte Druckerei auch noch überzeugen, Recyclingpapier zu verwenden“, sagt Bull. Der nächste Schritt wäre es, über eine öffentliche Debatte ökologische Druckfarben durchzusetzen. GERNOT KNÖDLER