: Engagement gehört dazu
ALTERNATIVE Gemeinsam errichtete Wohnhäuser für mehrere Bauherren sind günstiger als Eigentumswohnungen. Doch bei Verträgen für Baugruppen gibt es einiges zu beachten
■ Eine gute Adresse für viele Fragen rund um Baugruppen ist das Wohnportal. Dort können unter anderem Interessenten nach Projekten suchen – und Baugruppen nach Mitstreitern: wohnportal-berlin.de. Weitere Vorhaben, auch für generationenübergreifendes Bauen, finden sich hier: www.netzwerk-generationen.de.
■ Bei der bundesweiten Suche nach Partnern hilft der Bundesverband Baugemeinschaften: www.bv-baugemeinschaften.de, info@bv-baugemeinschaften.de, Tel.: (07 61) 2 96 55 74
VON HANNES KOCH
Wer eigene vier Wände erwerben möchte, hat Alternativen zur Eigentumswohnung und zum eigenen Haus. Baugruppen, in denen sich mehrere Bauherren zusammentun, bieten Vorteile wie niedrigere Kosten und größere Möglichkeiten individueller Gestaltung. Auch deshalb ist das Modell in Berlin sehr beliebt: Große Projekte sind unter anderem am Flughafen Tempelhof und am Gleisdreieck entstanden. Allerdings bringt diese Form des Bauens auch besondere Herausforderungen mit sich, die in der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden müssen.
Das Modell Baugruppe funktioniert so, dass beispielsweise zehn Bauherren kooperieren, um ein größeres Haus zu errichten – anstatt zehn einzelne Eigentumswohnungen zu erwerben. Ein Argument dafür sind die geringeren Kosten. Diese liegen oft um 20 Prozent unter den Preisen, die gewinnorientierte Bauträger für Eigentumswohnungen aufrufen. Denn die selbstorganisierten Baugruppen sparen die Gewinnmarge, die sonst die Projektentwickler in die Tasche stecken. Mitglieder von Baugemeinschaften haben deshalb auch in der Berliner Innenstadt die Chance, mit 3.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche auszukommen. Eine familientaugliche 100-Quadratmeter-Wohnung kostet dann 300.000 Euro - eine Summe, die auch für den ein oder anderen Durchschnittsverdiener noch zu stemmen ist.
Der Preis für den wirtschaftlichen Vorteil besteht allerdings in Engagement. Baugruppen funktionieren nur, wenn sich die Mitglieder persönlich reinhängen und ihr Projekt mit großem Zeitaufwand vorantreiben. Baugruppen sind demokratische Veranstaltungen: Wem die ständigen Sitzungen, Diskussion und auch Auseinandersetzungen zu viel sind, sollte auf diese Art des Bauens verzichten. Eine gängige Rechtsform, die viele Baugruppen wählen, ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), sagt Thomas Bestgen, der als Geschäftsführer der Firma UTB häufig Baugruppen betreut. „Wollen die Mitglieder persönliches Eigentum bilden, ist die GbR die richtige Rechtsform. Geht es dagegen um gemeinschaftliches Eigentum, dann ist die Rechtsform der Genossenschaft eine gute Wahl.“
Der GbR-Vertrag sollte wichtige Grundsätze festlegen: Wie kommen Entscheidungen zustande? Hat jedes Mitglied eine Stimme oder richten sich die Stimmrechte nach dem jeweiligen Anteil am gemeinsamen Projekt? Nach welchem Baustandard und nach welchem Zeitplan wird das Haus errichtet? Zur Aufteilung der Kosten wird oft die Variante der Quotierung gewählt. Wohnfläche im zweiten Stock kann dabei beispielsweise als Durchschnitt gewertet werden. Im Erdgeschoss mag der Wert darunter liegen, in den oberen Stockwerken höher – wegen der Aussicht, der Ruhe oder anderer Kriterien. Diese Unterscheidungen führen dazu, dass ein Quadratmeter Wohnfläche in den unteren Geschossen billiger ist als in den höheren Lagen.
Mitglieder von Baugruppen sollten sich in jedem Fall vor der Vertragsunterzeichnung Rechenschaft darüber ablegen, welche finanzielle Belastung sie tragen können. Einkalkulieren müssen sie auch unvorhergesehene Kostensteigerungen, die nie auszuschließen sind. „Einen Sicherheitspuffer von fünf Prozent der geplanten Summe muss man einplanen und im Notfall auch finanzieren können“, rät Bestgen.
Damit der Bau effizient vonstatten geht, sollte die GbR eine Geschäftsführung benennen. Diese dient als Ansprechpartner für die Architekten und Baufirmen. „Am besten werden drei Geschäftsführer gewählt“, sagt Bestgen, „wovon zwei zusammen immer unterschreiben und somit handeln. Alle halbe Jahre kann man rotieren. Involvierte Projektsteuerer oder Architekten sollten nicht in der Geschäftsführung vertreten sein, weil sonst Interessenskonflikte drohen.“
Trotzdem kann es zu Problemen kommen. Ein Beispiel: Einer der Bauherren muss oder will auf halbem Wege aussteigen – sei es, weil die Familie aus Berufsgründen in eine andere Stadt zieht, er krank oder arbeitslos wurde, oder die Baukosten wider Erwarten zu stark stiegen. Aus der Sicht der Baugruppe stellt sich dann die Frage: Wie kann das Projekt weitergehen? Die Aussteiger interessiert eher: Wie kommen wir unbeschadet aus dem Vorhaben raus? „Im GbR-Vertrag müssen deshalb Ausstiegsklauseln enthalten sein“, sagt Bestgen.
Diese regeln beispielsweise, ob der einzelne Bauherr einen Nachfolger suchen muss, oder die Baugruppe diese Aufgabe übernimmt. Ratsam erscheint, dass die Gemeinschaft einen Nachfolger benennt, denn sie muss ja künftig mit dem neuen Miteigentümer zurechtkommen. Die Kündigungsfrist kann etwa ein halbes Jahr betragen. Auf diesen Zeitraum müssen sich die Ausstiegswilligen einstellen, bis sie ihr eingezahltes Kapital zurückerhalten. Es kann aber auch schneller gehen. Weil in Berlin gegenwärtig eine große Nachfrage nach solchen Projekten herrscht, dürften sich rasch Interessenten finden, die in den Vertrag einsteigen.