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Archiv-Artikel

Hauptsache Dienstleistung

Schriften zu Zeitschriften: Das neue Magazin „Bücher“ will die Bücher nicht den bleilastigen Feuilletons überlassen und möchte Lesern helfen, einen Pfad durch den Bücherdschungel zu finden – ist aber selbst ein einziger Dschungel und enthält in kurz und in klein alles, was der Buchmarkt dieses Jahr hergab

von ALEXANDER LEOPOLD

Eigentlich hätte man sich denken können, dass in einer Zeit, in der laufend neue Magazine wie Dummy, Zoo, Deutsch oder Voss erscheinen, die sich mit den unterschiedlichsten Aspekten des modernen Lebens beschäftigen, auch ein neues Büchermagazin nicht lange auf sich warten lassen würde. Trotzdem war es eine Überraschung, als an diesem Mittwoch Bücher – Das Magazin zum Lesen an den Kiosken lag. Kein lautes Branchengeflüster ging dem Erscheinen von Bücher voraus, schon gar kein fiebriges, spannungsvolles Warten auf ein mögliches Buchmarkt-Ereignis, nicht zuletzt, weil der herausgebende Verlag, die VVA Kommunikation GmbH in Essen, im Literaturbetrieb ein mehr als unbeschriebenes Blatt ist.

Kein Wunder: Die VVA Kommunikation ist ein Unternehmen, das anderen Unternehmen dabei hilft, „kreative Kommunikationskonzepte“ umzusetzen, wie es auf der VVA-Website heißt, wozu selbstredend das Konzipieren und Herausgeben von Geschäftskundenmagazinen, Mitgliedermagazinen und Werbebroschüren gehört. So gab VVA Kommunikation zuletzt das „opulente Reisemagazin“ Daydreams in Zusammenarbeit mit dem Kurzreiseveranstalter FTM in Kleve heraus oder Dialog, ein Magazin der Bayer BKK, und so plant man demnächst für die Unternehmensgruppe Boesche ein zwölfseitiges Glücksstern Gewinn-Magazin. Immerhin scheint Bücher zumindest formal ein „echtes“, sozusagen unabhängiges Eigenprodukt dieses „Fulltime-Dienstleisters“ (Zitat eines Geschäftspartners von VVA) zu sein– in Eigenregie geplant und in einer Auflage von 100.000 auf den Markt gebracht, „aus Liebe zum Lesen“.

So steht es auf dem Cover, von dem die US-Bestsellerautorin Donna Tartt mit grünen Augen groß herabblickt, so steht es im Editorial von Chefredakteur Christian Jürgens. Muss sein smartes Lächeln nicht wirklich stutzig machen, seine Dienstleisterpose am aufgeräumten Schreibtisch, auf dem sich rechts von ihm ein paar Bücher stapeln, auch nicht sein Vorsatz, „das andere, das populäre Magazin zum Lesen zu sein“, so machen es Sätze wie „Bücher sind viel zu wichtig, als dass man sie den Feuilletons überlassen könnte. Wir glauben, dass man auch anders als in blutleeren Bleiwüsten über Bücher schreiben kann.“

Nun denn, hinweg mit den Feuilletons, her mit den roten und weißen Blutkörperchen, dem Fleisch, den knackigen Kurzkritiken, den flotten Geschichten, den informativen Rubriken. Bücher heißt Bücher eben ganz bewusst: Literatur ist Hochkultur, also abschreckend, und schließlich gibt es noch so viele andere Bücher, Erotikbücher, Krimis, Kinderbücher, Kochbücher, Ratgeber aller Art. Gesichter & Geschichten, Sex & Crime, Macht & Money, Herz & Seele, Kind & Kegel, Leben & Stil, so heißen die größeren Abteilungen im Heft, dann gibt es noch Hollywood, das schreibt, Alessandro Baricco, Corinne Hoffmann, Eckhart Witzigmann etc. etc. etc.

Bücher hat von allem ein bisschen. Es hat auch gute Autoren, etwa Eckart Nickel, Ingeborg Harms, Fritz Göttler, Peter Glotz, es hat Autorinnen, die sonst bei Penthouse, Young Lisa, Woman, Freundin oder Lisa schreiben, es hat welche, von denen man noch nie was gehört hat, die aber auch okay schreiben, und es hat ein Weihnachtsspezial. Es hat, es hat, es hat – man könnte unentwegt so weitermachen mit den Aufzählungen. In Bücher ist wirklich alles reingekippt worden, was der Buchmarkt im laufenden Jahr hergab, von Nick Hornbys Buch „31 Songs“ über Madonnas Kinderbuch bis zu einem öden Miniinterview mit Jeffrey Eugenides.

Was das Ganze soll, weiß man nach der Lektüre nicht mehr. Gegen die meisten größeren Stücke ist gar nicht so viel einzuwenden, außer dass sie ein bisschen länger hätten sein können und man sie woanders auch nicht schlechter lesen kann. Konsequent aber nehmen in Bücher die Bildstrecken mehr Platz ein als die Texte. Sie animieren dazu, zu gucken, zu blättern, aber nicht zu lesen. Das viele Geschnipsel, Gepuzzle und Genreaneinandergereihe macht auf Dauer aber nervös – hier noch ein Ministück über Weimar, die „Metropole großer Geister“, dort noch eine Filmkritik, hier ein Miniinterview mit der Powerfrau Regina Hellmich, dort noch ein Siegfried-Lenz-Verriss in der Rubrik „Überschätzte Bücher“ (was für eine Erkenntnis: „Dieses Buch ist so muffig wie eine vergessene Hutschachtel.“).

Orientierung, Pfad durch Bücherdschungel, wie sich das Chefredakteur Jürgens im Editorial vorstellt? So wie Bücher sieht ein Bücherdschungel aus. Das Magazin erinnert an das vor gut sechs Jahren mit dem gleichem Ansatz gestartete Lektüren, das Leser erreichen wollte, „die mit der üblichen und gelegentlich elitären Präsentation von Literatur nichts anzufangen wissen“, das einen ähnlichen Büchersupermarkt eröffnete, dieselbe Startauflage hatte, nach drei Ausgaben aber wieder eingestellt wurde. Anzeigen hat Bücher angenehm wenige, auch kaum von Verlagen, nicht mal Random House, sondern mutmaßlich von Geschäftspartnern der VVA Kommunikation (bol de., E-Plus).

Ist das Anzeigengeschäft sicher ausbaubar, so könnte das entscheidendere Problem von Bücher werden, dass das große Zielpublikum, die für die Verlage durchaus wichtigen Ex-und-Hopp-Käufer, schlichtweg überfordert ist mit dem Riesenangebot: „250 Bücher im Überblick“. Es wird sich schnell wieder in den gewohnten Kurzrubriken von Glamour, Men’s Health oder Playboy informieren oder Elke Heidenreich gucken. Und die Büchervielkäufer, die Literaturliebhaber, die bleiben sowieso bei den Feuilletons oder Literaturen.