: Shining Misery
Der König schlägt zurück: Stephen King wehrt sich bei der National-Book-Award-Verleihung gegen seine Kritiker
Mit nur vergleichsweise bescheidenen 10.000 Dollar ist dieser Preis dotiert, doch der National Book Award gilt nach dem Pulitzerpreis als der zweitwichtigste Literaturpreis der USA. Insofern lassen sich die sanften Wogen der Erregung besser verstehen, die es gab, als bekannt gegeben wurde, dass der Bestseller-Horrorautor Stephen King einen der fünf Preise bekommen sollte: den für seinen Beitrag zur amerikanischen Literatur, so eine Art Ehrenoscar. Der Großkritiker und Yale-Literaturprofessor Harold Bloom verteidigte seinerzeit noch einmal die hohe Kultur gegen die Popkultur, Arthur Miller und Philip Roth wunderten sich, und die preisverleihende Nationale Buchstiftung musste ihre Entscheidung vehement verteidigen und sprach davon, „unsere Vorstellungen darüber, was Literatur ist, erweitern zu müssen“.
Jetzt hat auch Stephen King zurückgefochten. Bei der Preisverleihung sagte er, dass es bei vielen Kritikern wohl einen „blinden Fleck“ gebe: „Verdient man sich akademische Pluspunkte damit, wenn man sich von der eigenen Kultur entfernt?“, fragte er und zeigte keinerlei Verständnis für all die, „die stolz darauf sind, noch nie ein Buch von John Grisham, Tom Clancy, Mary Higgins Clark oder anderen populären Schreibern gelesen zu haben“. Seinen Preis nahm er ausdrücklich im Namen von Grisham, Elmore Leonard und anderen entgegen. Nun kennt man den Streit um Hoch und Pop zur Genüge, und eigentlich hatte man gedacht, der gehöre längst fernen Zeiten an. Zumal er in der Regel wie das Hornberger Schießen ausgeht. Etwa so: ein National Book Award für Elmore Leonard sofort, einen für Tom Clancy auch, aber nie einen für John Grisham oder Mary Higgins Clark! Die einen sind groß, gerade Leonard, die Bücher der anderen laufen unter „Zeitvernichtung“ und machen nicht mal Spaß.
Schade nur, wenn die Verleihung eines National Book Award an Stephen King und eine Diskussion wie diese die anderen Preisgewinner völlig überstrahlt. Wenn Preise wie diese überhaupt Sinn machen, dann, indem durch sie unbekanntere Autoren einem größeren Publikum vorgestellt werden. Prangt fett ein Sticker „National Book Award“ auf dem Cover, kauft vielleicht auch der Stephen-King-Leser mal ein Buch der 1931 in Sydney geborenen Shirley Hazzard, die den Preis in diesem Jahr in der Sparte Fiktion für ihren Roman „The Great Fire“ bekam (der im nächsten Jahr übrigens auf Deutsch erscheint). Oder eines von Carlos Eire, CK Williams oder Polly Horvath, den anderen Preisträgern in den Abteilungen Sachbuch, Poesie und Jugend. Bei so viel King ist es natürlich sympathisch, dass Hazzard nach der Preisverleihung gestanden haben soll, noch nie ein Buch von King gelesen zu haben: „Ich hatte noch keine Zeit, mich einem zu widmen.“ GERRIT BARTELS