Gedimmtes Licht

FILM Das Frauenfilmfestival in Dortmund glänzt nicht nur mit seinem internationalen, sondern auch seinem lokalen Programm

VON CAROLIN WEIDNER

Zwischen 1978 und 1981 hat die Initiative RuhrFilmZentrum fünf Filme gedreht, die als „Prosper-Ebel-Zyklus“ mehr oder weniger bekannt sind. Wie etwa „Frauen-Leben“, Christa Donners und Gabriele Voss’ Dokumentarfilm aus dem Jahr 1980, in dem wir ganz gewöhnlichen Frauen begegnen, einige von ihnen sind seit vielen Jahren verwitwet, weil die in den Zechen rackernden Männer wegen ihrer Staublungen früh verstorben sind. Der Film zeigt die Frauen, wie sie sich manchmal in einer Garage treffen, auf Klappstühlen sitzen und durch das geöffnete Tor in die Welt hinausgucken, die für sie eine kleine ist, aber immerhin. Schon im Vorspann macht „Frauen-Leben“ sein Interesse deutlich: Es geht darum, „das verborgene Wirken und Leben von Frauen“ kennenzulernen. Voss und Donner sind hierfür extra nach Ebel gezogen. „Wir wollten für sie erreichbar sein und in jeder Phase der Arbeit mit ihnen im Gespräch bleiben“, so Voss. Das ist über dreißig Jahre her.

In „Frauen-Leben“ kommt etwas zusammen, das Sinnbild für das gesamte Programm des diesjährigen Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund/Köln (IFFF) sein kann: das Ruhrgebiet, dem sich das Festival 2015 mit Standort Dortmund gewidmet hat, und der (Nicht)Dialog zwischen den alten Frauen und den jungen. Denn es ist nicht so, dass sich die beiden Regisseurinnen Voss und Donner mit einem Blick auf die Alten begnügt hätten. Neben den Leben der Großmütter stehen die Träume der Töchter und Enkelinnen. Und was bekümmert, ist nicht die Unterschiedlichkeit jener Leben, sondern wie entkoppelt sie voneinander stehen. Das ist auch das Drama von Carmen in Elfi Mikeschs „Ich denke oft an Hawaii“, einem wunderbaren Film von 1978, der leider nur selten zur Aufführung kommt. Carmen ist die Tochter von Ruth, mit der Mikesch einst benachbart war. Carmen ist sechzehn Jahre alt, und sie hat sich in den Augen der Regisseurin verändert. So sehr und so interessant, dass ein Film gemacht werden musste. Mikesch sagt selbst in einer bildhaft-poetischen Notiz: „Ihr früher zarter Körper war riesig geworden, ihr Mund aber nicht mitgewachsen. Klein wirkte er im Gesicht mit den großen Augen, stand wie ein Zeichen für Carmens Zurückhaltung und für ihre Sprachlosigkeit.“ Carmen und Tito, ihr Bruder, haben einen Mann zum Vater, der die große Liebe der Mutter war und dessen Weggang diese nicht verkraftet hat. Ein Soldat aus Puerto Rico. Was er in Deutschland gelassen hat: Schallplatten mit Hawaii-Musik darauf. Die ist im Film zu hören. Und Carmens Stimme.

Stets zwei Lagen Vorhänge

Sie sagt: „Ich möchte nicht einsam sein.“ Oder: „Warum ich zwei Kinder haben möchte, weiß ich eigentlich auch nicht.“ Der Film ist in kleine, lebendige Einheiten montiert, einige von ihnen sind träumerisch, fantastisch. Andere zeigen gerauchte Zigaretten und riesige Tortenstücke auf Tellern, vor den Fenstern hängen stets zwei Lagen Vorhänge, morgens um sechs geht Ruth putzen. „Ich denke of an Hawaii“ streift auch ein anderes großes Thema des IFFF: „Komfort“ lautete die Losung in diesem Jahr, und es ist klar, dass das Ansinnen doch eher diskomfortabler Natur war. Beispielhaft hierfür etwa ein Kurzfilmprogramm mit dem Namen „Ein Bild abgeben“, in dem die Künstlerin Vika Kirchenbauer in „Please Relax Now“ zunächst alle Anwesenden zu einem gemeinsamen Masturbations-Happening aufrief (und dafür auch freundlich das Licht dimmte). Im Anschluss daran konnte man sich mit Turner-Prize-Gewinnerin Laure Prouvost und ihrem Film „Swallow“ in eine Welt voll nackter Nymphen, saftiger Früchte und Insekten begeben und sich dem Unbehagen aussetzen, das der aussageverweigernde High-End-Kunstfilm evoziert.

Etwas abseits der Schwerpunkte Ruhrgebiet (zu nennen ist hier unbedingt auch das Programm „Ruhr lokal – Wer Ruhrgebiet sagt, sagt auch Arbeit“, in welchem einige kurze Filme der Amateurfilmemacherin und Dortmunderin Elisabeth Wilms zur Vorführung kamen, gedreht zwischen 1940 und 1980) und Komfort, entrollte sich indessen der Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen. Jasmila Žbanic schickte ein Paar auf die Liebesinsel, auf „Love Island“, ein kroatisches All-inclusive-Paradies voll irdischer Verführungen – eine zotige Komödie, die beweist, das auch queer keine Schutzformel vor Spießigkeit ist. Sepideh Farsis „Red Rose“ erzählte hingegen von der Begegnung Alis, eines Mittfünfzigers, mit der jungen Aktivistin Sara in Teheran. Ursache wie Rahmen bilden die Ereignisse des Sommers 2009, die Grüne Revolution. Deren erfolglosen Ausgang macht auch ein Produktionshinweis deutlich: „Red Rose“ musste in Griechenland entstehen. Möglich ist das, weil der Film zu weiten Strecken in einer Wohnung spielt, nämlich in der Alis, wo er Sara Unterschlupf gewährt.