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Archiv-Artikel

„Die Tierhalter brauchen Hilfe“

THERAPIE Federn rupfen, permanentes Schreien, aggressives Verhalten – das sind Hilfeschreie von unglücklichen Vögeln. Tierpsychologe Norbert Adler kümmert sich um die kranke Seele von Papageien

So wird man Tierpsychologe

Die Privatschule Animal Vision (www.animalvision.de) am Hamburger Stadtrand bietet eine 13-monatige Ausbildung zum Tierpsychologen an.

■ In dem berufsbegleitenden Programm können sich Auszubildende auf ein Themengebiet oder eine Tierart spezialisieren.

■ Ein staatlich anerkanntes Studium der Tierpsychologie gibt es nicht. Ein Tierpsychologe sollte mehrjährige Erfahrung nachweisen können und ist idealerweise auf nur wenige Tierarten spezialisiert.

■ Am Anfang steht eine Anamnese, bevor der Tierpsychologe eine Analyse macht. Kosten sollten vorher festgesetzt werden.  MBW

VON MAI-BRITT WULF

taz: Warum brauchen Papageien einen Psychologen?

Norbert Adler: Es sind eigentlich die Tierhalter, die Hilfe brauchen. Viele kommen mit den Tieren nicht zurecht. Andere Papageienhalter sind völlig mit den Nerven runter, wenn ihr Papagei permanent schreit oder hackt.

Wie entstehen psychische Probleme von Papageien?

Der Ursprung liegt meist in der Aufzucht oder darin, dass die Vögel allein gehalten werden. Viele Tierhandlungen ziehen die Papageien per Hand auf, damit sie zahm werden. So fixiert sich das Tier auf den Typ der Person, also Haarfarbe, Geschlecht und Stimmlage, die es aufgezogen hat. Kauft eine blonde Frau einen Vogel, der von einem Mann großgezogen wurde, dann kann sie Probleme mit dem Tier bekommen. Es kann sein, dass der Vogel sie nicht akzeptiert und Aggressionen entwickelt.

Was ist bei Papageien zu beachten?

Papageien sind hoch intelligente und soziale Tiere. Sie gehen mit dem Menschen eine Partnerschaft ein. Wenn Sie einen Vogel haben, dann ist er abhängig von Ihnen und nur auf Sie fixiert. Wenn Sie dann mal nicht da sind, gibt es oft Katastrophen. Wir bieten den Tieren eine Liebesbeziehung an, die wir nicht einhalten können. Die meisten Menschen erkennen auch nicht, dass sie in einer Beziehung mit dem Vogel sind. Und Papageien sind ausgesprochen eifersüchtig.

Mit welchen Problemen kommen Tierbesitzer auf Sie zu?

Rupfen, Schreien, Federfressen und aggressives Verhalten wie Beißen oder Hacken sind Probleme, die häufig auftreten.

Was können die Halter tun?

Sie müssen sich entfernen. Man muss dem Vogel sein Eigenleben zurückgeben. Eine Möglichkeit kann sein, einen Partner zu suchen. Dann kann man die Vögel auch allein lassen. Wenn bereits ein Paar vorhanden ist, dann versuche ich gemeinsam mit dem Tierhalter, langsam Bindungen zu lösen. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine neue Beziehung und leben mit Ihrem neuen Partner zusammen, aber Ihr Ex kommt ständig vorbei. Ist der Tierhalter immer wieder präsent und bringt sich ins Spiel, kann sich die Bindung zwischen den beiden Vögeln nicht entfalten.

Wie helfen Sie?

Ich analysiere die Situation und versuche durch verändertes Verhalten des Tierhalters, zum gewünschten Ziel zu kommen. Zuerst schaue ich mir das Umfeld des Vogels an. Lebt der Papagei in einem Käfig, sorge ich für genug Raum. Es muss die Möglichkeit geben, dass die Papageien frei durch die Wohnung fliegen können. Oft sind es nur ganz einfache Dinge, die man bedenken muss. Wir haben eine sehr anthropozentrische Sichtweise, statt von Sicht der Tiere auszugehen. Ich versuche, das den Tierhaltern beizubringen.

Wie lange dauert die Therapie?

Papageien sind konservativ, daher braucht die Behandlung Zeit. Wir bieten Betreuungspakete an, das kleine Paket kostet 119 Euro für das ganze Jahr. Im größeren Paket, für 198 Euro, ist eine 24-Stunden-Hotline inbegriffen.

Norbert Adler

62, ist Tierpsychologe und arbeitet seit 30 Jahren im gemeinnützigen Verein Tier & Mensch Franziskushilfe in Oldenburg (www.tierundmensch-franziskushilfe.de). Es ist das älteste und erste kostenlose Beratungsbüro für Heimtierhaltung in Deutschland. Adler betreut Tierhalter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zuvor erlernte er in den USA Zoo-Design mit tiergartenbiologischem Schwerpunkt. FOTO: JULIA PELTZER

Was muss beachten, wer sich einen Papageien anschafft?

Sie sollten sich bewusst machen, dass Papageien 100 Jahre alt werden können und den Menschen oft ein Leben lang begleiten. Auch wichtig ist, die Vögel nicht allein zu halten und ihnen genug Raum zu geben. Spielzeug kann als Beschäftigung eingesetzt werden, darf aber nicht als Ersatz für einen Partner fungieren.

Wie sind Sie Papageienpsychologe geworden?

In Frankfurt führte ich zwei Zoogeschäfte. Wir nannten sie Zoo-Studios, wegen des artgerechten Konzepts. Das bedeutet, dass Tiere nur paarweise in großen Anlagen gehalten wurden, nicht in Käfigen. Viele Kunden wandten sich bei Problemen an uns, größtenteils Papageienhalter. Daher haben wir ein Institut für verhaltensauffällige Papageien aufgemacht und eigene Therapien entwickelt. Diese Arbeit setzen wir seit acht Jahren in Oldenburg fort. Dort bauen wir gerade einen Therapiegarten mit Fluggehege, Auswilderungsvolieren für Wildtiere und Bienenzucht auf. Wir bilden Tierpfleger aus und wollen durch tiergestützte Therapie psychisch Kranken helfen.

Haben Sie selbst einen Papagei?

Die Liebe zu Papageien war ausschlaggebend für meinen Job. Ich lebe seit 30 Jahren mit meiner Kakadudame Liene zusammen. Früher trug ich sie überall auf der Schulter mit hin, zu Amtbesuchen, beim Einkaufen oder beim Auto fahren. Denn sonst hätte sie sich kahl gerupft. Seitdem ich den richtigen Partner für Liene gefunden habe, ist es besser. Ich habe so vielen Menschen geholfen, aber es hat lange gedauert, bis ich mein eigenes Problem gelöst habe.