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Keine Angst vorm Jugendwahn

U-18-WÄHLERINNEN Auch Teenies steh’n auf Olaf Scholz – aber nicht auf Rechtspopulisten: Die Absenkung des Wahlalters bietet mehr Chancen als Risiken

Hätten in Hamburg nur 16- bis 18-Jährige wählen dürfen, wäre die AfD nicht in die Bürgerschaft eingezogen

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Hamburgs Zahlen – fehlen noch. Zwar liegt seit dem 27. Februar endlich das korrekte Ergebnis der Bürgerschaftswahl vor, aber ihr wohl interessantester Wert fehlt noch: verlässliche Daten, ob die ErstwählerInnen in größerem Umfang als der Rest der Stadt der Lethargie des Bürgermeisterbestätigungskampfs erlegen sind – oder ihre Stimmen abgegeben haben.

Das ist interessant, weil 2015 in Hamburg die 16-Jährigen erstmals den Landtag mitwählen durften. Rückschlüsse über ihr Verhalten erlauben die Nachwahlbefragungen durch Infratest. Sie zeigen: Olaf Scholz finden in Hamburg auch Teenies geil. Die CDU schmiert übel ab. Kleine Parteien, zumal die Grünen, erreichen junge WählerInnen besser als ältere. Ausnahme: Rechtspopulisten. Hätten nur 16- bis 18-Jährige wählen dürfen, wäre die AfD klar an der Fünfprozenthürde gescheitert. In allen anderen Altersgruppen lag sie bei sechs Prozent.

Exakte Werte gibt der Landeswahlleiter im Mai bekannt. Die Uni Hamburg analysiert sie vorher. Und Genauigkeit ist gut, denn das Minderjährigenwahlrecht finden viele altgediente Politikjournalisten voll kacke. Das teilen sie nur indirekt mit, indem sie sich negative Auswirkungen aufs Ergebnis ausmalen: Es begünstige Radikale, es führe zum Sinken der Wahlbeteiligung. Dabei standen in Hamburgs Verzeichnissen 27.000 Minderjährige – zwei Prozent der Wahlberechtigten. Um die Beteiligung spürbar zu senken, hätten die alle wegbleiben müssen. Aussagekräftiger ist, die Beteiligung dieser Alterskohorte mit jener der folgenden zu vergleichen: In Bremen war die Wahlbeteiligung der U-18-ErstwählerInnen 7,3 Prozent höher als bei den 20- bis 24-Jährigen. Und: Sie wussten wie man Kreuzchen macht. Nur 0,8 Prozent der 16- bis 20-Jährigen wählten 2011 in Bremen ungültig. In der Generation 60 plus gab es 3,7 Prozent Falschvoten.

Schulpflichtige WählerInnen sind eben noch gut durch politische Bildung zu erreichen. Und zu motivieren, was André Mücke wichtig findet. Mücke ist Chef der Deutschen Schulmarketing-Agentur in Hamburg, die das Programm „It’s your choice“ aufgelegt hat, also: Podiumsdiskussionen an Schulen, mit KandidatInnen der Partei-Nachwuchsorganisationen, „weil sich mit denen fetzigere Debatten führen lassen“. 13.000 ErstwählerInnen habe er erreicht, und aus Bremen gab es „Anfragen, das dort anzubieten“, sagt er. Der Markt ist eng: Neben dem Wahl-O-Mat der Landeszentrale für politische Bildung sind die schulübergreifenden Projekte des Pädagogen Hans-Wolfram Stein fest verankert: Eines der erfolgreichsten war die von SchülerInnen betriebene Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Auch die Wahlsimulation „Juniorwahl“ hat in Bremen hohen Stellenwert: „Diesmal haben wir 15.000 Teilnehmer“, so Gerald Wolf vom Veranstalter Kumulus – viel mehr als im großen Hamburg. „Bremen sticht immer heraus“, so Wolf, „die haben immer die höchste Beteiligung.“ Nur bei echten Wahlen liegt das kleinste Land stets unterm Bundesschnitt.

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