: Komm mit auf die Reise
Man möchte ihn trösten und füttern: Konstantin Gropper reizt die mütterlichen Instinkte. Dabei steht es um den jungen Musiker gut. Mit „Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon“ hat er seine erste Platte herausgebracht. Dann wuchs ihm eine siebenköpfige Band zu. Jetzt gibt es das Konzert
VON THOMAS WINKLER
Konstantin Gropper auf der Straße zu begegnen, ist gar nicht so unwahrscheinlich, wenn man durch den Friedrichshain geht, denn da wohnt er. Wenn man also Konstantin Gropper begegnen würde, in einem der kleinen Sträßchen in der Nähe des Boxhagener Platzes, an einem tristen Tag, vielleicht sogar an einem, der ein wenig regnerisch ist, wenn er einem also auf dem matschigen Gehweg entgegenkommen sollte, mit seinen schwarz gefärbten Haaren, die fransig ins Gesicht hängen, mit den ganz dezent, aber sichtbar dunkel geschminkten Augen in einem blassen Gesicht, und wenn er einen dann ansehen würde mit diesem trauerumflorten Blick, dann könnte man leicht auf die Idee kommen, es käme einem da, sollte man das Wort schon mal in der Bravo gelesen haben, ein Emo entgegen. Dann könnte man einen Moment, nur einen kurzen Moment lang auf diese Idee kommen, den jungen, scheinbar so traurigen Mann trösten zu wollen, könnte gar glauben, ihn füttern zu müssen.
Wenn einen also urplötzlich solch mütterliche Gedanken befielen, dann sollte man sich einfach ganz schnell wieder zusammenreißen. Denn: „Ich bin keiner“, sagt Konstantin Gropper, „der sich im Unglück suhlt.“ Genau den Eindruck allerdings kann man recht leicht bekommen, wenn man Groppers Musik hört, die er unter dem Projektnamen Get Well Soon veröffentlicht. Auf seiner ersten Platte „Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon“ finden sich Songs, deren Namen meist nicht nur noch länger sind als der Albumtitel, sondern auch genau jenen versprochenen Trost bieten. Es sind epische Songs mit einem Hang zur Breite, große Gesten mit orchestralem Anspruch. Aufgenommen und arrangiert allerdings in einem Schlafzimmer in Mannheim. Denn dort lebte Gropper noch bis vor gut drei Monaten.
Eingespielt hat Gropper sein Debüt, abgesehen von einigen instrumentalen Beiträgen von einem Cousin an der Trompete und seiner Violine spielenden und singenden Schwester, komplett im Alleingang. Aber so zurückgezogen die Entstehungsumstände auch gewesen sein mögen, musikalisch geht Gropper mit „Rest Now, Weary Head!“ auf eine große Reise, die am Lagerfeuer mit der akustischen Gitarre beginnt, über einen mexikanischen Marktplatz führt, sich kurz an der Bar eines Großstadtclubs entspannt, im amerikanischen Niemandsland einen Schwatz mit Conor Oberst hält und schließlich im Kammermusiksaal endet.
Man kann hören, dass der im oberschwäbischen Erolzheim geborene und aufgewachsene Musiklehrersohn Gropper eine klassische Ausbildung genossen hat – sein erstes Instrument mit fünf Jahren war das Cello –, dass er, wie er sagt, „Beethoven immer lieber mochte als Mozart“, dass er Tom Waits und Leonard Cohen verehrt, aber auch „das volle opulente Klangbild von Wagner“ zu schätzen weiß. Nicht so direkt hören kann man, dass Gropper auch die Einstürzenden Neubauten und Tocotronic zu seinen Einflüssen zählt und zudem den vom Schlagersänger Michael Holm komponierten Easy-Listening-Soundtrack zu Adrian Hovens legendärem Trash-Horrorfilm „Hexen bis aufs Blut gequält“ von 1969 gesamplet hat. Zum Glück nicht zu hören ist, dass Gropper erfolgreich die Pop-Akademie in Mannheim abgeschlossen hat: Statt vermarktbare Erfolgsstanzen nachzuahmen, wagt er den großen, gefühligen Wurf und singt von Alaska, wo man keinen Kühlschrank braucht, oder von Schlossbewohnern, die die Wahrheit unterm Bett verstecken. Genau der Sorte metaphorisch überladener Seltsamkeiten also, die sich dem aufdrängen, der allzu sensibel in die Welt blickt.
Kurz: Selten klangen ein junger Mann und sein Hang zum Trübsinn so waidwund, aber auch so wundervoll. Aber wenn man Gropper fragt, warum seine Musik so melancholisch sei, dann sagt er, seine Musik sei doch nur „der Versuch einer möglichst realistischen Beobachtung der Welt“. Diese Welt aber, das sagt jetzt mal nicht Gropper, ist ja bekanntermaßen in einem eher beklagenswerten Zustand. So gesehen darf, soll, ja muss wohl sogar diese Musik klingen, wie sie klingt.
Wer jetzt denkt, dass man es in diesem Falle mit einem jungen Mann mit Tendenz zum einzelgängerischen Genie zu tun hat, der denkt nicht ganz falsch. Aber liegt auch nicht ganz richtig: Bevor der mittlerweile 25-jährige Gropper zum musikalischen Einzelkämpfer mutierte, arbeitete er sich wie viele andere in Schülerrockbands an Vorbildern wie Nirvana oder Sonic Youth ab. Außerdem fertigt er schon seit Jahren zusammen mit einer gewissen Maike Rosa Vogel als The Grand Mirage fragile, spröde elektronische Duette, die allerdings noch der Veröffentlichung harren.
Und seit gut einem Jahr steht hinter dem Namen Get Well Soon auch eine siebenköpfige Band. Schwester und Cousin sind wieder dabei, der Rest aber kam erst zusammen, als das Album längst fertiggestellt war. Man lebt verstreut zwischen London, Dublin, Graz und Mannheim und trifft sich auch nur kurz zum Proben vor den Auftritten, aber fügt dem egomanischen Entwurf nun eine neue Dimension hinzu. Das Orchestrale wird nun endgültig und verdientermaßen ausgefüttert. Zudem kann der personelle Zuwachs sicherlich auch dafür sorgen, dass Konstantin Gropper, wenn nötig, hin und wieder mal in den Arm genommen wird.
Live am 17. 1. im Postbahnhof