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Archiv-Artikel

Bitte lächeln!

Im Auftrag eines niederländischen Magazins machte der Fotograf Jan Banning einen Hausbesuch in den Wohnzimmern der Armut. Im Dorf Dickisoni, Malawi ist es seitdem vorbei mit materieller Not

VON GUNDA SCHWANTJE

Ein Fahrrad, ein Radio, Tisch und Stuhl sind Luxus. Einen Eimer für Trinkwasser braucht der Mensch, eine Bastmatte zum Schlafen auch. Essgeschirr ist nötig, denn die Bewohner von Dickisoni leben nicht wie Wilde. Kochbesteck, eine Hacke, etwas Secondhandkleidung und Salz braucht der Mensch ebenso. Schuhe sind ein Grenzfall. Schuhwerk ist nicht unbedingt vonnöten, andererseits kann man ohne es nicht würdig zu einer Beerdigung gehen. Öl zum Kochen ist zwingend, ein Stück Seife wünschenswert, eine Paraffinlampe praktisch, wichtig aber nicht unbedingt.

In diesem Stil, nüchtern, fakten- und detailreich, beschreibt der niederländische Autor Dick Wittenberg das Dorf Dickisoni, Malawi. Die dazugehörigen Fotografien von Jan Banning sind bar allen Pathos und zeigen eine verborgene Realität: Alltägliche Armut ist ihr Thema, fortdauernde Not, die nicht durch einen Krieg oder eine Katastrophe ausgelöst ist. Und weil sie diese in der Berichterstattung unterrepräsentiert fand, schickte die Magazinredaktion des niederländischen NRC Handelsblad Dick Wittenberg und Jan Banning in dieses afrikanische Dorf. Und gab ihnen Zeit mit auf den Weg.

Die Armut der etwa hundert Erwachsenen und zweihundert Kinder in Dickisoni sollte die Lebensumstände eines großen Teils der Weltbevölkerung beispielhaft dokumentieren. 2,7 Milliarden Menschen gelten als arm, sie leben von weniger als zwei Dollar pro Tag. In Dickisoni gibt der reichste Mann weniger als einen Euro pro Tag aus, recherchierte Dick Wittenberg – und eine sechsköpfige Familie, die 245 Euro im Jahr zur Verfügung hat, wähnt sich reich, denn von dieser Summe kann sie kaufen, was sie braucht: getragene Kleidung, Medizin, Stifte und Papier für die Kinder, die zur Schule gehen, außerdem Seife, Paraffin, Salz.

Die Reportage „Das Gesicht der Armut“ erscheint im September 2005 in der Monatsbeilage „M“ des NRC, einer einflussreichen überregionalen Tageszeitung mit einer Auflage von 280.000 Exemplaren. Die „M“-Redaktion hat sich für einen opulenten Auftritt entschieden, eine Titelgeschichte über achtzehn Seiten. Mit dem, was nach der Veröffentlichung passiert, hat keiner der Produzenten und Autoren gerechnet. So viele Rückmeldungen auf einen Beitrag hat es noch nie gegeben, sechshundert Leser melden sich. Viele wollen Geld spenden und die Nummer des Spendenkontos wissen, das gar nicht eingerichtet war. „Vielleicht hatte der Beitrag eine so starke Resonanz wegen der inhaltlichen Tiefe“, sagt Jan Banning, „vielleicht haben die Menschen genug Lifestylethemen konsumiert und sind ihrer müde.“ Vielleicht ist es den Autoren gelungen, durch ihren besonderen Zugang die fremde Realität nachvollziehbar zu machen.

62.500 Euro haben die Leser bislang gespendet. In Dickisoni entscheidet nun ein Dorfkomitee darüber, wie das Geld investiert werden soll. Zuerst wurde Kunstdünger gekauft und Mais gegen den Hunger. „Die Dorfbewohner wissen genau, was sie brauchen“, sagt Jan Banning. Die Böden sind ausgelaugt, der Dünger soll dafür sorgen, dass sich die Hungerperioden der Vorjahre nicht wiederholen. Menschen waren krank geworden, gestorben. Waren zu schwach, um ihre kleinen Äcker für die folgende Saison zu bestellen.

Die vergleichsweise kleine Spende aus den Niederlanden hat in Dickisoni große Veränderungen bewirkt. Durch den Dünger hat sich die Ernte versiebenfacht. Häuser wurden repariert, eine Schule wird gebaut. Es fließt sogar Geld in die umliegenden Dörfer, denn der Kontrast zwischen Dickisoni und den Nachbarn soll nicht zu stark werden. Kollektiv wird nun ein Acker für Witwen und alleinstehende Frauen bewirtschaftet – für die Ärmsten der Armen. „Solidarität entsteht erst, wenn das Überleben gesichert ist“, hat Jan Banning beobachtet.

Ob diese Entwicklung in Dickisoni nachhaltig ist?