: Ausgerechnet in der Schweiz
Aus dem Kulturzentrum in Pfäffikon in der Schweiz sind zwei Piccassos geraubt worden, die dem Hannoverschen Sprengel-Museum gehören. Behörden und Museumsmitarbeiter suchen nach Erklärungen, wie das passieren konnte
Den Freitagvormittag hatte sich der Direktor des Sprengel Museums Hannover, Ulrich Krempel, anders vorgestellt. Eigentlich war auf dem Programm gestanden, vor einigen Journalisten lediglich die neue Ausstellung des Werks der New Yorker Fotografin Helen Levitt freundlich zu präsentieren. Nun aber waren die Stuhlreihen im Sprengel-Museum erstaunlich voll und das Interesse vieler Journalisten ging in eine ganz andere Richtung: Am vergangenen Mittwoch sind zwei wertvolle Picasso-Gemälde aus einer Ausstellung im Seedamm-Kulturzentrum in Pfäffikon in der Schweiz geraubt worden. Die Gemälde gehören dem Sprengel-Museum, das die Werke als Leihgaben für eine Picasso-Schau zur Verfügung gestellt hatte.
Gleich am Donnerstag, berichtete Krempel, sei ein Mitarbeiter des Sprengel-Museum von Hannover aufgebrochen, um vor Ort in Erfahrung zu bringen, wie es zu diesem „unerklärlichen Vorgang“ kommen konnte. „Ausgerechnet in der Schweiz, dem Hort der Sicherheit“, sagte Krempel sichtlich bestürzt. Der Raub sei ein „Akt der Barbarei. Man fühlt sich nicht nur beraubt, sondern verletzt und versehrt.“
Ersten Ermittlungen zufolge, so Krempel, ließen sich die nach wie vor unbekannten Diebe am Mittwoch um 17 Uhr im Museum einschließen. Um 18.15 Uhr verließen die letzten Mitarbeiter das Gebäude. Die Diebe hebelten unter großem Krafteinsatz eine elektronisch gesicherte Tür auf, stürmten in den Raum und rissen die beiden Picassos von der Wand. „Es gibt Splitter des Rahmens am Ort“, sagt Krempel. Kurz nach 19 Uhr ging der erste Sicherheitsalarm los. Die Polizei traf um 19.30 Uhr ein und musste den Verlust von Picassos „Tête de cheval“ (1962, Pferdekopf) und „Verre et pichet“ (1944, Glas und Karaffe) feststellen.
„Es ist auf sehr professionelle Art Gewalt ausgeübt worden“, sagte Krempel. Die aufgebrochene Tür reagiere nur auf einer postkartengroßen Fläche auf Druck. „Alles deutet darauf hin, dass die Täter wussten, wo sie drücken mussten.“ Den Wert der Ölgemälde beziffert die Stadt Hannover auf mehr als drei Millionen Euro. Die Gemälde seien versichert, sagt Krempel, „aber was ist Geld gegen solche Werke?“ Der Verlust zerstört die Einheit der großen privaten Picasso-Sammlung der Familie Sprengel. Den Schweizer Kollegen vom Kulturzentrum in Pfäffikon aber sei kein Vorwurf zu machen.
Mit der schnellen und umfassenden Bekanntgabe des Raubs versucht das Museum, die Chance der Täter zu minimieren, die Werke an unwissende Sammler verkaufen zu können. Krempel rechnet damit, „dass es bald irgendein Lebenszeichen von den Bildern gibt“, womöglich im Zusammenhang mit einer Lösegeldforderung an das Museum. Die Versicherung setzt laut Krempel zudem eine Belohnung für Hinweise auf die Täter oder die gestohlenen Bilder aus. Ferner werden die beiden Gemälde ins virtuelle „Art Loss“-Register gestellt, mit dem sich Händer über gestohlene Kunstobjekte informieren können. Momentan fehle aber trotz internationaler Fahndung von den Tätern noch jede Spur, sagte ein Sprecher der Schweizer Behörden am Freitag. KLAUS IRLER