piwik no script img

Archiv-Artikel

Fluchtpunkt St. Pauli

Weil die NPD ihm den Ort streitig macht, muss der Hamburger DGB seine Kundgebung zum 1. Mai verlegen. Bereits in der kommenden Woche protestieren Hafenarbeiter gegen geplanten Neonazi-Aufmarsch und Wahlkampfaktivitäten der DVU

Es müsse berücksichtigt werden, dass an Mai-Veranstaltungen auch Familien mit Kindern teilnehmen, sagt Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm

VON PETER MÜLLER

„Kein Fußbreit den Faschisten!“ Diese antifaschistische Formel, so hat es den Anschein, nimmt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Hamburg nicht recht ernst: Recht kurzfristig hat er seine traditionelle 1. Mai-Kundgebung vom Stadtteil Barmbek auf den Kiez im Stadtteil St. Pauli verlegt – weil in Barmbek zur selben Zeit die NPD aufmarschiert. Ergreifen die Gewerkschafter also die Flucht vor den Faschisten? Ein klares Dementi von Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm: Man werde „eine geordnete Mai-Kundgebung durchführen“, sagt er zur taz, wolle sich aber auch an einer Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch „beteiligen“.

In Hamburg gibt sich die Gewerkschaft zum 1. Mai schon länger flexibel: Mal fand die Kundgebung auf dem Fischmarkt statt, mal vor dem Gewerkschaftshaus nahe des Bahnhofs. Im vorigen Jahr zog die 1. Mai-Demo erstmals vor das Museum der Arbeit im Stadtteil Barmbek. Weil er die dortigen Örtlichkeiten für sehr geeignet hielt, beschloss der DGB-Vorstand rasch, auch in diesem Jahr die 1. Mai-Demo vor dem Museum enden zu lassen. Eine entsprechende Route wurde im Juni 2007 angemeldet.

Damals wurden die Gewerkschafter allerdings vom örtlichen Polizeirevier darauf aufmerksam gemacht, dass auch die rechtsextreme NPD für den 1. Mai 2008 eine Demonstration im Stadtteil angemeldet habe. Allerdings sei damals ein falscher Ort genannt worden, sagt DGB-Chef Pumm nun: „Da wären Bahndamm und Gleise dazwischen gewesen, das war für uns kein Problem. Erst jetzt haben wir erfahren, dass die NPD genau den Platz vor dem Museum angemeldet hat“, ärgert er sich, „und wer zuerst anmeldet, hat das Zugriffsrecht“.

Es habe zwar Überlegungen gegeben, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen, davon habe die Gewerkschaftsspitze aber wieder Abstand genommen, erklärt Pumm, „weil das Risiko zu groß ist, dass wir unterliegen“. Dann hätte die NPD triumphieren können, „und das finden wir nicht lustig“. Daher sei die 1. Mai-Kundgebung nun kurzfristig auf den Spielbudenplatz an der Reeperbahn verlegt worden. Ein „Bündnis gegen rechts“ aus Antifa, VVN und Linkspartei hält derweil daran fest, vor Ort gegen den braunen Aufmarsch zu protestieren.

Das bringt dem DGB nun den Hohn der „Nationaldemokraten“ ein: „Der DGB kneift am 1. Mai“, spottet die Hamburger NPD auf ihrer Internetseite. „Die gesetzten Herren Gewerkschaftsfunktionäre möchten wohl lieber nicht so dicht am Frontgeschehen dran sein, sondern stattdessen weit weg und in Ruhe ihr traditionelles unpolitisches Maifest mit Spiel, Spaß und Dönerbuden begehen“, heißt es weiter. Damit wolle der DGB seinen „spießbürgerlichen Ruf nicht aufs Spiel setzen“ und nicht mit möglicher Antifa-Randale in Verbindung gebracht werden.

Den Vorwurf, der DGB weiche zurück, wie ihn zum Teil auch Antifa-Gruppen bereits erhoben haben, weist Pumm zurück: Es müsse vielmehr berücksichtigt werden, dass an Mai-Veranstaltungen auch Familien mit Kindern teilnehmen. Zudem sei es ein „falsches politisches Signal“, wenn die Gewerkschaften ihre 1. Maikundgebung zugunsten des Antifa-Protests absage, „nur weil da hundert Nazis aufmarschieren“. Damit würde der DGB auch Inhalte preisgeben, so Pumm – „was für ein Erfolg für die Nazis“. Dem DGB-Chef geht es jetzt darum, die 1. Mai-Veranstaltung und den Protest gegen die NPD unter einen Hut zu bringen. „Wir stehen im engen Kontakt mit dem Bündnis“, beteuert Pumm.

Organisierte Hafenarbeiter wollen ihren Unmut über die braunen Umtriebe schon vorher auf die Straße tragen. Für den kommenden Samstag mobilisieren sie für eine Demo von den Landungsbrücken vorbei am Sitz der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) zum Rathausmarkt. Vor dem Gebäude der Innenbehörde soll die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano reden. Anmelder des Umzugs ist der Betriebsratschef des Gesamthafenbetriebs, Bernt Kamin. „Wir haben uns bewusst als Berufsgruppe vorangestellt“, sagt Kamin der taz „um noch vor den Wahlen ein Zeichen zu setzen“. Einen Tag nach der Demonstration nämlich will die Deutsche Volksunion (DVU) eine Wahlkampfveranstaltung in den Hamburger Messehallen abhalten. Gemäß des „Deutschlands-Paktes“ mit der NPD darf die DVU in Hamburg exklusiv zur Wahl antreten. Das Verwaltungsgericht hat die Messegesellschaft dazu verpflichtet, ihr eine Halle bereitzustellen. Dagegen ist eine Beschwerde der Stadt beim Oberverwaltungsgericht anhängig.

„Wir wenden uns aber nicht nur gegen die Hetze der Nazis, sondern auch gegen die Politik der sozialen Kälte, die einen Nährboden für Deutschtümelei, Rassismus und Antisemitismus nährt“, heißt es im Aufruf der Hafenarbeiter. „Der rechtsradikale Sumpf wird zur CDU-Mehrheitsbeschaffung integriert wie neulich bei Schill und gestern in Hessen“. Wenn die Nazis am 1. Mai Arbeit und soziale Gerechtigkeit „nur“ für Deutsche forderten, „treiben sie einen Keil zwischen uns, die wir aus über 50 Ländern in unserem Hafen arbeiten“. Für Bernt Kamin geht es zudem darum, „offensiv in den Betrieben die Auseinandersetzung“ mit rechten Ideologien zu führen.