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Archiv-Artikel

KUNSTRUNDGANG Dominikus Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um

Man hat den Eindruck, dass die große Party gerade vorbei ist. Zumindest trifft das auf Andrea Winklers Ausstellung bei Kai Hoelzner zu, für die die Künstlerin den Galerieraum am Kottbusser Tor mit Luftballons gefüllt hat. Winkler hat sie mit Lack eingesprüht und in kleinen Gruppen im Raum verteilt. Über die Dauer der Ausstellung verlieren die Ballons natürlich Luft, schrumpeln ein, die Farbe beginnt zu blättern – Resultat: ein Arsenal bizarrer, fast schon kristalliner Formen und Farbreste auf Galerieboden und Wand. Das sieht wunderschön aus und hinterlässt das tendenziell melancholische Gefühl einer beendeten Party. Das ist aber auch ein gekonnter Kommentar nicht nur auf den Raum selbst, sondern auch auf die aufgepumpte Blase „Kunst“, aus der dank des amerikanischen Börsencrashs gerade etwas heiße Luft abgelassen wurde. Der Kindergeburtstag ist also vorbei. Eher adoleszent geht es dagegen bei MD72, dem „Projektraum“ der Galerie Neu, zu. Wenn die Kleinen schon schlafen, dann schlägt man sich hier die Nächte an der Bar um die Ohren, die Paulina Olowska inklusive Hocker in einen Hinterraum des Ausstellungsbereichs gebaut hat und deren Tresen verkratzt und mit Sprüchen und Namenskürzeln verziert ist. Den Hauptraum hat Olowska Robert Jarosz überlassen, dessen Archiv in die Welt des polnischen Punk und New Wave der frühen 1980er-Jahre entführt. Und so sieht man hier in Schaukästen und an den Wänden drapierte Devotionalien: Tagebücher, Eintrittskarten, Plattencover, Backstage-Pässe und Unmengen alter Kassetten, alles natürlich in klassischer Do-it-yourself-Ästhetik und inklusive Gebrauchs- und Alterungsspuren, den Kratzern auf der Bar nicht unähnlich. Wenn man damals geahnt hätte, dass keine Zukunft seine Zukunft in einem museal daherkommenden Schaukasten hat …

Andrea Winkler, bis 10. Mai, Mi–Fr 17–20, Sa 14–18 Uhr, Galerie Kai Hoelzner, Adalbertstraße 96, Balkon, 1. Etage Paulina Olowska präs.: Neue Polnische Welle 1978–1986. Robert Jarosz Music Archive, bis 25. April, Di–Sa 11–18 Uhr, MD72, Mehringdamm 72