: Sie da, melken Sie die Kuh!
Nicht jedes Tier besitzt die angeborene filmische Präsenz des Berliner Naturtalents Knut. Findet man zumindest in der Filmtierschule Babelsberg. Ihr zehnjähriges Jubiläum ist ein guter Grund, sich dort mal umzuschauen
Nicht nur Tierfilme, auch Tiere im Film sind schwer in Mode. Damit eine Kuh sich melken, ein Pferd sich erschießen oder die Katze sich vom Baum retten lässt, müssen sie natürlich eine Schauspielausbildung durchlaufen. Ohne Leckerli unter der Frauenleiche im Park würde Kommissar Rex nicht investigativ schnüffeln und konzentriert ermitteln können. Der Filmpark Babelsberg, ein kommerzieller Freizeitpark im billigen Pappmaschee-Outfit für 19 Euro Eintritt, betreibt seit zehn Jahren eine Filmtierschule.
Zum Jubiläum gibt es jetzt eine kleine Ausstellung mit Szenenbildern der wichtigsten Filmtierproduktionen der letzten Jahre. Schreinemakers mit Paviandame Jeanny, 16 Jahre – bekannt aus dem Musikantenstadl –, Teenieband US 5 mit Python als Halskette beim Fotoshoot, oder auch Friedrich Küppersbusch im Mediendschungel unter Palmen mit Haifischen und Spinnen, verkleidet als Robinsons Insel-Freitag (Hintergrund: seine damalige Talkshow im ARD wurde auf den Freitag geschoben). Und Fotos „unvergesslicher Momente“ für die Tiertrainer Astrid und Gerhard Harsch. G. Harsch sieht darauf manchmal aus wie der junge Hardy Krüger, der gerade mit einem selbst gefangenem wilden Tier aus Afrika zurückkehrt ins deutsche Fernsehen, in den Sechziger Jahren vielleicht.
Die Filmtiere „glänzen“ vor allem in TV-Produktionen, die man längst vergessen glaubte oder hoffte – „Wege zum Glück“, „Forsthaus Falkenau“, „Unser Charly“, „Arabella“, „Hinter Gittern“ oder „Ein Bayer auf Rügen“. Als Teil der diversen „Filmpark-Attraktionen“ gibt es täglich mindestens eine Open-Air-Show mit einigen der Tiere. Ein schwer auf lustig machender Moderator sagt seine tumbe Kollegin („die Claudia“) an, die dann Mätzchen mit den Tieren vorführt. Beachte: „Wir sind hier aber nicht im Zirkus, sondern beim Film.“ Deshalb klappen die Tricks auch öfter mal nicht. Die Musik oder der Feuerrauch aus den Stallungen kommt schon „vor Stichwort“. Was dann mit Billigkalauern aus den angrenzenden Studio-Scriptfabriken aufgefüllt wird. Trägt Claudia die Katze Ollie durch die kleine Kulissenwelt, spielt sie eben eine „tragende Rolle“. Fast tragisch wirkt die Filmzirkusvorstellung, als die elf Jahre alte Jersey-Kuh Bifi – bekannt angeblich vom Matratzentest des Potsdamers G. Jauch für Stern-TV auf dem Ku’(!)damm – vorgeführt wird, die fertiger und abgefuckter aussieht als jede Kuh im Stall beim echten Bauern. Ein Zuschauer mit auf dem Hintern festgebundenem Schemel soll ihren nicht sichtbaren Euter melken und wird dafür mit Hohn belohnt. „Wer so jut melken kann, wie Sie …!“ Sollte diese arme Kuh tatsächlich in einem Werbespot oder Film auftauchen, dann wohl nur nach intensiver optischer Nachbearbeitung am PC.
Dann lieber das Stinktier Stinkie, das eine Zuschauerin nicht anfassen mag und das den Köder für einen großen Greifvogel „spielt“. Auch in einem Christina-Stürmer-Video soll Stinkie zu sehen sein – oder war es der Schwarze Panther? Wer im Filmpark zwischen Dschungelspielplatz, Horror- und Mittelalterstadt, den Gärten des Kleinen Muck und GZSZ-Außenset seine „Freizeit“ verbringt, hat sonst nichts zu lachen.
Weit über 200 Tiere gehören zum Bestand der Filmtierschule. Wie sie genau gehalten werden, möchte man lieber gar nicht wissen. Da vor allem immer wieder Hunde gebraucht werden, bewarben sich unlängst mehr als 500 Hundebesitzer aus der Umgebung darum, ihren Kläffer zum „tierischen Helden am Set“ umschulen zu lassen. Nicht ganz leicht, denn der Brandenburger Wachhund, der sonst in putativer Notwehr Fremde und „Ausländer“ vom Grundstück wegbeißt, muss umständlich lernen, das Beißen nur zu simulieren.
Nach der Show ist man demoralisiert genug, bei einigen Viechern, die keine Filmrollen mehr kriegen, weil sie zu alt und faltig sind, auf artgerechte Tötung plädieren zu wollen. Sollte der ungeliebte Berliner Zoochef einmal anderswo sein Gnadenbrot fressen müssen – hier gäbe es sicher eine Aufgabe für den Anti-Knut-Berliner. ANDREAS BECKER
Filmpark Babelsberg, Eingang Großbeerenstraße (nahe S-Bahnhof Potsdam-Medienstadt), tägl. 10 bis 18 Uhr. Preise: Erw. 19, Kinder 12,50 €