piwik no script img

Archiv-Artikel

Eine Stunde Verlängerung

Zeugenvernehmung im Brechmittel-Prozess: Nachdem ein Rettungsteam den Zustand von Laya Condé stabilisierte, flößte der Polizeiarzt ihm weiter Wasser ein – bis Condé kollabierte

von CHRISTIAN JAKOB

Wer den ehemaligen Bremer Innensenator Thomas Röwekamp nach dem Brechmitteltod des Laye Alama-Condé befragt, erhält folgende Antwort: „Ich habe mein Bedauern über den Fall Condé seinerzeit sehr deutlich gemacht.“

Röwekamp hatte die Angelegenheit 2005 mit den Worten kommentiert: „Ich halte es für völlig gerechtfertigt, mit unnachgiebiger Härte gegen solche Leute vorzugehen.“ Der Tod des Sierra Leoners habe „nichts mit der Verabreichung von Brechmitteln zu tun.“

Sein Bedauern hat Röwekamp wohl sehr diskret geäußert. Bei der Familie ist davon jedenfalls nichts angekommen. „Uns gegenüber hat sich nie jemand dafür entschuldigt, was mit meinem Sohn geschehen ist,“ sagte am Donnerstag Fatma Tarawilli, die Mutter des toten Condé. Sie war im April nach Deutschland gereist, um als Nebenklägerin den Prozess gegen den Polizeiarzt Igor Volz zu verfolgen. „Die Reise aus Guinea mussten wir selber bezahlen, das war für unsere Familie sehr schwer,“ sagt sie. Ihre Anwältin hat für Tarawillis Reisekosten, 1.900 Euro, Prozesskostenhilfe beantragt. Ob diese bewilligt wird, ist unklar.

Am Donnerstag hörte das Landgericht einen Rettungsassistenten. Als das Rettungsteam eingetroffen war, hatte sich Condé durch die begonnene Brechmittelvergabe in einem kritischen Zustand befunden. Die Sanitäter seien zunächst von einer „Kokainvergiftung“ ausgegangen, konnten Condés Vitalfunktionen jedoch stabilisieren. Dieser habe sich durch „schütteln“ gegen die Fixierung gewehrt.

Volz, die Polizisten und zwei der Sanitäter hätten die vorübergehende Besserung von Condés Zustand genutzt, um ihm weiter mit großen Spritzen durch die Nase Wasser einzuflößen. Solange, bis ihr Patient mit schweren Hirnschäden kollabierte. Dem Einsatzprotokoll zufolge muss dies rund eine Stunde gedauert haben.

Vorm Landgericht konnte sich der Rettungshelfer gestern nicht erinnern, dass Volz versucht hätte, mit Condé zu reden, als dieser vorübergehend ansprechbar war. Bei der späteren Übergabe des Kollabierten an die Notaufnahme des St. Josef-Stifts seien die dortigen Ärzte „erstaunt“ gewesen, weil der Patient ihnen mit „Zustand nach Ertrinken“ angekündigt worden sei. „Die hatten erwartet, dass wir jemanden aus dem Wasser geholt haben und nicht vom Polizeirevier,“ so der Arzthelfer.

Im Anschluss wurde der Berliner Rechtsmediziner Wolfgang Schneider gehört. Dieser hatte die Leiche obduziert. Schneider gab an, dass er bei Condé keine organischen Vorschäden feststellen konnte, die als natürliche Todesursachen in Betracht kämen. In seinem Blut habe er das Beruhigungsmittel Diazepam gefunden. Spuren anderer Drogen und medizinischer Substanzen habe es nicht gegeben. Außer dem Ertrinken käme theoretisch auch ein Herzstillstand durch eine mechanische Reizung des Herzsteuerungsnervs mit der Condé mehrfach eingeführten Nasensonde in Betracht.

Während der Zeugenbefragung saßen Fatma Tarawilli und der angeklagte Polizeiarzt Igor Volz einander gegenüber. Im Gegensatz zu den übrigen Verhandlungstagen, während derer Volz fast die ganze Zeit auf den Boden gestarrt hatte, verfolgte er am Donnerstag die Ausführungen des Gutachters mit großer Aufmerksamkeit. Immer wieder beugte er sich zu seinem Anwalt Erich Joester, um sich zu beraten. Die Verhandlungspausen nutzte er zu kurzen Telefonaten.

Unbeschadet seiner Äußerungen in der Brechmittel-Affäre war Thomas Röwekamp im Frühjahr 2005 Bremer Bürgermeister geworden. Auch die Bremer CDU wird ihm den Tod Condés kaum mehr nachtragen, sondern ihn auf dem Landesparteitag am kommenden Samstag zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen.