Verschwenderisch zum Abschied

Der Hamburger SV sichert sich mit einem 7 : 0 gegen den Karlsruher SC die Teilnahme am Uefa-Cup. Damit hat der scheidende Trainer Huub Stevens das Saisonziel gerade noch erreicht

VON JAN KAHLCKE

Sie hatten ja eine erfolgreiche Saison beim Karlsruher SC: Als bester Aufsteiger schon vor Wochen den Klassenerhalt gesichert, lange um die Uefa-Cup-Plätze mitgespielt und manchen Großen geärgert. Da darf man sich mal was gönnen. Das Saisonfinale in Hamburg kam dafür gerade recht. Denn Hamburg, so fanden die KSC-Verantwortlichen, ist eine Reise wert – nicht nur, wenn man dort Fußball spielen will. Also buchten sie für ihre Spieler noch eine Extra-Übernachtung an der Elbe. „Wir wollten in Hamburg eine insgesamt erfolgreiche Saison ausklingen lassen“, sagte ein bedrückter Karlsruher Trainer Edmund Becker nach dem Spiel beim HSV – insgesamt. Aber nun sei „die Stimmung mehr als getrübt“. Er betrachte es als Warnung für die neue Saison: „Nur mit körperlosem Spiel kommt man in der Bundesliga nicht zum Erfolg.“ Man muss sich die Hamburg-Sause der Karlsruher wohl als ziemlich bedröppelte Veranstaltung vorstellen.

Was war passiert? Eigentlich hatten die Karlsruher versucht, was sie immer gegen vermeintlich überlegene Mannschaften tun: mitspielen, die eigenen Chancen suchen. Klar, eine Prise Betriebsausflugsstimmung war auch dabei. Und irgendwie hatten sie den Punkt verpasst, ab dem sie lieber auf Schadensbegrenzung hätten setzen sollen. Das war nach einer halben Stunde, als der einzige Karlsruher Stürmer Edmond Kapllani aus dem Nichts zu einem Kopfball kam, den er haargenau auf den Pfosten setzte. Da hätte das Spiel noch kippen können. Der HSV führte 1 : 0 durch einen Elfmeter, vom notorischen David Jarolím „geschickt herausgeholt“, wie man wohl sagt. Aber die Hamburger hatten den Gästen bis dahin mit ihrem aggressiven Pressing fast keine Luft zum Atmen gelassen. Dennoch: Die Karlsruher wollten noch einmal gut aussehen und spielten auch nach dem Rückstand munter weiter nach vorn. Und weiter. Und weiter.

Zur Halbzeit stand es 3 : 0 durch zwei Tore von Paolo Guerrero, kurz danach erzielte der Peruaner das 4 : 0, offensichtlich der Ansicht, er habe in der HSV-internen Torschützenliste noch etwas gut zu machen. Das wollte der führende Ivica Olić< nicht auf sich sitzen lassen, und machte, obwohl nicht gerade ein Hüne, in der Schlussviertelstunde noch zwei Kopfballtore. Und sogar Piotr Trochowski, der in der Gunst von Bundestrainer Löw offenbar erheblich höher steht als in der des scheidenden HSV-Trainers Huub Stevens, durfte einen Fernschuss in den Winkel knallen.

Nun verdeckt die Torschützenliste ein wenig, wer der eigentliche Vater dieses 7 : 0-Erfolges war: Rafael van der Vaart. Der Spielmacher hatte nicht nur mit seinem Elfmetertor den Bann der Erfolglosigkeit gebrochen, der im Saisonfinale auf den Hamburgern zu lasten schien. Er scheint auch rechtzeitig zur Europameisterschaft in Top-Form, wirbelte hinter den Spitzen und legte drei Tore auf. Fast sah es aus wie eine Abschiedsgala.

Alles deutet darauf hin, dass der HSV seinen Superstar in diesem Sommer verlieren wird. Zwar sagte van der Vaart nach dem Spiel: „Wie es im Moment aussieht, soll ich nächste Saison hier in Hamburg spielen.“ Aber selbst wer weiß, dass van der Vaart wie viele Niederländer dazu neigt, das Verb „sollen“ synonym mit dem Hilfsverb „werden“ synonym zu verwenden, wird da kein Signal in Richtung Vertragserfüllung heraushören können. Zu deutlich hat er in der Vergangenheit seine Wechselabsichten gemacht. Und schließlich war auch nicht von „wollen“ die Rede.

Sicher verlassen wird den HSV Huub Stevens, das ist seit einem halben Jahr bekannt. Und fast ebenso lange währt in Hamburg die Diskussion darüber, ob der Niederländer seinem Arbeitgeber mit dieser frühzeitigen (An-)Kündigung eigentlich den gewünschten Gefallen getan hat. Denn den Zeitvorsprung, den Stevens seinen Chefs bei der Nachfolgersuche verschaffen wollte, haben die gründlich verspielt: Erst in der vergangenen Woche gaben sie die Einigung mit Stevens’ Landsmann Martin Jol bekannt. Und während der Findephase lief es nicht mehr richtig bei den Hamburgern. Fast hätte Stevens, der den HSV einst vom Abgrund weggeholt hatte, seinen Nimbus als Erfolgcoach noch eingebüßt: Eine Niederlage gegen Karlsruhe, und der HSV hätte die Teilnahme am Uefa-Cup verpasst – ein schweren Rückschlag für die mittelfristigen Planungen des Vereins.

Solcherlei Rechenspiele waren nach einem 7 : 0 natürlich weggewischt. Ein perfekter Abschied für den HSV-Retter, das musste sogar der knurrige Stevens einräumen. Nicht ohne sich treu zu bleiben: „Ich hätte lieber heute 2 : 0 gewonnen und die übrigen Tore auf andere Spiele verteilt“, sagte er und erinnerte damit indirekt noch einmal daran, dass der HSV noch vor wenigen Wochen an der Qualifikation für die Champions League geschnuppert hatte. Dennoch: Die Saison-Nachbereitung in geselliger Runde dürfte um einiges gelöster ausgefallen sein als die des KSC.