die lage am lago : Die Geisterjäger
Wir stehen an der Ausfahrt des Giardino in Ascona. Die Taschentücher haben wir schon in der Hand. Gleich wird der DFB-Bus die Hotelanlage verlassen und sich auf den Weg Richtung Flughafen machen. Als er kommt, winken wir mit den Schneuzelementen und hoffen, der deutschen Nationalmannschaft so einen bewegenden Moment bereiten zu können. Einige Kollegen verdrücken sich noch rasch eine Träne, bevor sie sich zum gemeinsamen TV-Abend mit integriertem Alkoholkonsum in irgendeiner Lounge („Das ist echt easy da!“) verabreden. Wir sind da anders. Wir arbeiten auch an den Tagen, an denen die deutschen Spieler woanders arbeiten.
AUS TENERO ANDREAS RÜTTENAUER
Wir wollen wissen, ob der ganze DFB-Tross nach Kärnten aufgebrochen ist oder ob nicht doch noch jemand dageblieben ist, ob es vielleicht sogar einen gibt, der nicht mitdurfte. Ganz konkret sind wir auf der Suche nach dem Geist von Ascona, der ja auch im Giardino untergebracht sein soll. Wir sind sicher, dass er nicht mitgefahren ist. Das hätte einem anderen so gar nicht geschmeckt, dem Geist von Klagenfurt. Ein Geist, das wissen wir, ist meistens da, wo die Nationalmannschaft ist.
Viele können sich noch an den Geist von Malente erinnern. Ein ungeliebter Geist war das. Gehaust hat er im holsteinischen Nirgendwo in einer Sportschule, die durch ihre winzigen Doppelzimmer, ihr Jugendherbergsfrühstück und ihre Zäune bekannt geworden ist, über die klettern musste, wer es in Deutschlands bekanntester Fußballkaserne nicht mehr ausgehalten hat. Vor zwei Jahren leistete der Geist von Grunewald der Nationalmannschaft bei ihrem Aufenthalt im Sommermärchenland Gesellschaft. Doch der hat sich nach dem WM-Turnier schnell zurückgezogen, und gilt als tot (taz berichtete), seit er beim FC Bayern einen Vertrag unterschrieben hat.
Wartet! Wartet! Sagt ein Angestellter des Giardino, als wir ihn nach dem Geist von Ascona fragen. Er holt ihn, freuen wir uns. Kurz darauf kommt er zurück und überreicht uns eine Flasche, Ratafià. Ein Tessiner Nusslikör auf Grappabasis. Zunächst sind wir enttäuscht. Dann überlegen wir, auf welche Weise wir die Flasche in die Lounge schmuggeln können, in der wir zum Fußballschauen verabredet sind.