: „Mehr Atelierraum schaffen“
Die Hamburgische Kulturstiftung fördert die zeitgenössische Kunst. Das bedeutet Basisarbeit – auch im Schatten von Großprojekten wie der Elbphilharmonie. Dieses Jahr wird die Stiftung 20 Jahre alt
GESA ENGELSCHALL, 52, ist Geschäftsführerin der Hamburgischen Kulturstiftung. Zuvor war sie u. a. Vize-Chefredakteurin beim Magazin Merian.
Interview KLAUS IRLER
taz: Frau Engelschall, hat die freie Kunstszene Hamburgs ein Nachwuchsproblem?
Gesa Engelschall: Nein, in Hamburg passiert eine ganze Menge. Es gibt hier eine intakte junge Kunstszene und viele gute junge Galerien. Allerdings haben viele Künstler ein Problem, weil ihnen die Atelierräume in Hamburg zu teuer sind. Deswegen wandern eine Reihe KünstlerInnen nach ihrem Studienabschluss ab – die gehen dann nach Leipzig oder Berlin.
Was ist Ihre Empfehlung, wie man dem begegnen könnte?
Wir müssen uns bemühen, mehr Atelierraum für junge Künstler zu schaffen. Das sollte ja auch möglich sein, beispielsweise in der Speicherstadt, wo es bereits ein Atelierhaus gibt. Außerdem müssen wir die Hamburger davon überzeugen, moderate Mieten zu verlangen, um Künstler hier zu halten. Das können wir als kleine Stiftung allerdings nicht leisten – wir unterstützen Projekte.
Was für Projekte sind das?
Wir fördern die junge Kunstszene der Stadt in allen Sparten, also Bildende Kunst, Fotografie, Musik, Theater, Tanz, Literatur und Film. Man kann sich sowohl als Einzelkünstler, als auch als Gruppe bewerben. Wir wollen junge Künstler ermutigen, Wagnisse einzugehen, um ihren eigenen Stil zu finden. Allerdings muss das Projekt in Hamburg realisiert werden. Ein weiteres Standbein der Stiftung ist die Kinder- und Jugendkultur: Hier unterstützen wir vor allem Projekte in sozialen Brennpunkten.
Wie verhält sich bei diesen Projekten die Kultur zur Sozialpädagogik?
Die Projekte sind an der Schnittstelle zwischen sozialem Engagement und Kultur angesiedelt. In Stadtteilen mit Entwicklungsbedarf geht es darum, Kinder und Jugendliche zu motivieren, sich an kulturellen Projekten zu beteiligen. Das stärkt ihr Selbstwertgefühl und kann ihnen so helfen, auch mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen. In die Richtung denken wir, wenn wir etwa ein Projekt mit dem Schriftsteller Feridun Zaimoglu in einer Wilhelmsburger Gesamtschule fördern, der dort ein Schreibprojekt anleiten wird.
Ist dieser Bereich nicht bereits bestens versorgt?
Dass es einen Bedarf in diesem Bereich gibt, haben wir bei der Initiative „Kultur bewegt“ festgestellt, die wir mit der Stiftung Maritim Hermann und Milena Ebel und der Kulturbehörde ins Leben gerufen haben: Um die insgesamt rund 130.000 Euro haben sich dieses Jahr 82 Projekte beworben – 2007 waren es noch 53 Bewerbungen.
Wie sieht Ihre Arbeit praktisch aus?
Wir bekommen 200 bis 220 Projektanträge im Jahr. Jedes Projekt wird durchgegangen und am Ende entscheidet ein Gremium aus Fachleuten. Wir können allerdings nicht jedes interessante Vorhaben unterstützen. Wir sind eine kleine Stiftung und müssen uns immer wieder neue Wege ausdenken, um Projekte fördern zu können. So veranstalten wir zum Beispiel zweimal im Jahr ein Benefiz-Essen, haben einen Freundeskreis und sprechen Unternehmen an, ob sie ein bestimmtes Projekt unterstützen wollen. Wir sehen uns da als Mittlerin zwischen Wirtschaft und Kultur.
Wie groß ist das Fördervolumen der Kulturstiftung?
Wir fördern in etwa 40 Projekte im Jahr und haben dafür rund 400.000 bis 500.000 Euro zur Verfügung. Wir würden natürlich gerne noch viel mehr fördern, aber das können wir nicht.
Wie hat sich das Spendenverhalten der Hamburger in den letzten 20 Jahren verändert?
Hamburg ist mit über 1.000 Stiftungen Hauptstadt der Stiftungen. Die Hamburger sind seit jeher absolut großzügig. Das sieht man nicht nur in der Kultur, sondern auch im sozialen Bereich oder im Sport.
Nun haben viele Hamburger für das Renommierprojekt Elbphilharmonie gespendet. Haben Sie als Hamburgische Kulturstiftung zu spüren bekommen, dass durch die Elbphilharmonie eine große Menge an privatem Spendengeld abgeschöpft worden ist?
Natürlich ruft so ein Leuchtturm-Projekt von Architekten wie Herzog & de Meuron große Begeisterung hervor und sorgt dafür, dass Hamburger, die spenden wollen, sich auf so ein Projekt konzentrieren. Ich denke schon, dass viele Kulturinstitutionen das merken, aber ich halte das für einen normalen Prozess. Es gibt auch Hamburger, die eben nicht die Elbphilharmonie unterstützen, sondern es wichtig finden, dass die Kunstszene nicht in den Schatten der Elbphilharmonie gerät und davon auf Dauer vielleicht sogar profitiert. Unsere Aufgabe ist, dass die Kulturszene auch in Zeiten eines riesigen Leuchtturm-Projektes die Chance bekommt, sich weiter zu entwickeln.
Braucht Hamburg ein solches Leuchtturmprojekt?
Ich denke, dass das Projekt für die Stadt einfach wichtig ist. Natürlich schluckt es wahnsinnig viel Geld. Aber es wird ein wichtiges Wahrzeichen werden und viele Menschen nach Hamburg ziehen. Letztlich wird die Elbphilharmonie das Kulturleben der Stadt generell beleben und ist damit eine Chance.