politik, stammtisch etc. : Alle sind böse, nur von Arnim nicht
Wer am Stammtisch die Schlechtigkeit der Politik(er) und die Raffgier der Wirtschaftsbosse hieb- und stichfest illustrieren will, dem sei das jüngste Buch des emeritierten Jura-Professors Hans Herbert von Arnim empfohlen: „Die Deutschlandakte. Was Politiker und Wirtschaftsbosse unserem Land antun“, Bertelsmann Verlag. Auf fast jeder der gut 350 Seiten findet man Details und Geschichten, über die man sich aufregen kann.
Und wenn man diese exakt so, wie sie aufgeschrieben wurden, weitererzählt, ist gesichert, dass man nicht wegen übler Nachrede belangt werden kann, denn von Arnim prangert natürlich in juristisch einwandfreier Weise an. Wenn ein Detail nicht gesichert ist, dann schreibt er es erst hin und fügt dann an, dass der Betroffene es aber bestreitet. Wer aber von Arnims eigenen Anspruch ernst nimmt, nämlich nicht nur „Aufreger“ niederzuschreiben (wie er am Anfang ankündigt), sondern auch Rezepte für ein besseres Gemeinwesen zu liefern, der wird vom mangelnden analytischen Tiefgang des Buchs enttäuscht. Immer wieder zu fordern, dass etwa Parlamentarier weniger verdienen und der Bundespräsident direkt vom Volk gewählt werden sollte, macht nicht zu Ende gedachte Forderungen nicht besser.
Hans Herbert von Arnim ist vielen Lesern aus unzähligen Talkshows und Meldungen in der Bild-Zeitung gut bekannt. Fleißig geschrieben hat er auch, nachdem er vom Bund der Steuerzahler wegging und hauptamtlicher Professor in München, Marburg und schließlich an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer wurde. Und wer von Arnims Bücher fleißig gelesen hat, der braucht das krönende Alterswerk bestimmt nicht zu lesen, da es – perfekte Zweit- und Drittverwertung – 82 geschlossene Texte in 16 Kapiteln zusammenfasst.
Geboten wird alles, was an Staatsverdrossenheit üblich ist: Das Grundgesetz wurde nicht durch eine Volksabstimmung verabschiedet; Parlamentarier sind ungebildet, verdienen zu viel und sind obendrein käuflich; nicht das Volk, sondern Parteien entscheiden; Europa ist undurchsichtig, und Wirtschaftsbosse sind raffgierig. Aber was kann man aus dem Buch wirklich lernen? Nichts Neues jedenfalls.
Doch wer sich – wie von Arnim und alle Stammtische – über Eigennutz der Politiker aufregt, der sollte sich klarmachen, dass diese Phänomene keine Besonderheit der Politik sind. Bei Experten und Unternehmern fallen der Egoismus nur nicht so auf, weil über sie nicht täglich ad personam in der Zeitung berichtet wird! GERT G. WAGNER