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Archiv-Artikel

„Schlächter von Darfur“ auf Reisen

Auf einem zweitägigen Treffen in Istanbul will die Regierung Stimmen für einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat sammeln. Mit von der Partie ist Sudans Präsident El Beshir, gegen den ein internationaler Haftbefehl beantragt ist

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

„Völkermörder in Istanbul“ titelte gestern die linksliberale türkische Tageszeitung Radikal, und auch die englischsprachige Daily News ließ mit ihrer Schlagzeile „Wieder ein roter Teppich für einen Paria“ anklingen, dass der Besuch des sudanesischen Staatschefs Omar el Beshir in der türkischen Öffentlichkeit auf wenig Begeisterung stößt.

Nachdem erst vergangene Woche Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad ein umstrittener Empfang am Bosporus bereitet worden war, traf gestern nun der „Schlächter von Darfur“, gegen den der Chefankläger am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, Luis Moreno-Ocampo, einen Haftbefehl beantragt hat, zu einem Afrika-Gipfel in Istanbul ein. Omar el Beshir ist auch nicht das erste Mal in der Türkei. Bereits im Januar dieses Jahres war er zu einem Staatsbesuch in Ankara, jetzt allerdings nur als einer von 50 weiteren afrikanischen Staatschefs oder deren Stellvertretern, die sich alle in Istanbul eingefunden haben, um über den Ausbau der Beziehungen der Türkei zum afrikanischen Kontinent zu sprechen.

Dass die türkische Regierung von Ministerpräsident Tayyip Erdogan und Staatspräsident Abdullah Gül die interne und internationale Kritik an dem Besuch des sudanesischen Potentaten ziemlich ungerührt zur Kenntnis nimmt, hat einen klaren Grund. Im Oktober wird am Sitz der UNO in New York darüber abgestimmt, welche Länder in der Periode 2009–2010 neben den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates dem erlauchten Gremium noch angehören sollen. Einer der Kandidaten ist die Türkei, und die tut seit längerem viel dafür, in den unterschiedlichsten Weltregionen für ihren Sitz im Sicherheitsrat zu werben.

Der jetzt in Istanbul stattfindende Afrika-Gipfel soll zwar offiziell zur Vertiefung der ökonomischen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit beitragen, tatsächlich geht es aber vor allem darum, möglichst viele Stimmen von afrikanischen Staaten für die kommenden Abstimmungen in New York einzusammeln.

Da die westliche Einschätzung der verbrecherischen Politik Omar el Beshirs in Afrika selbst nicht so vorbehaltlos geteilt wird, wollte die Türkei den Sudanesen vom Gipfel natürlich nicht ausschließen. Offiziell zieht man sich dabei auf einen formalen Standpunkt zurück. Ein internationaler Haftbefehl gegen el Beshir, so ein Spre- cher des türkischen Außenministeriums, liege bislang nicht vor. Tatsächlich wird der Antrag auf Ausstellung eines Haftbefehls derzeit noch geprüft, doch selbst wenn der Haftbefehl noch heute ausgestellt würde, müsste el Beshir wohl nicht befürchten, in Istanbul in einer Auslieferungszelle zu landen. Die Türkei hat, wie die USA, die Einrichtung des Internationalen Gerichtshofes nicht unterschrieben. Auch Ankara ist das Risiko, wegen bewaffneter Auseinandersetzung beispielsweise mit der kurdischen PKK, in den Haag angeklagt zu werden, viel zu groß.

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