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Archiv-Artikel

klimacamp-tagebuch (4): Mit Bötchen gegen Staudämme

MARTINA HELMKE, 20, angehende Studentin der Ethnologie in Hamburg, berichtet bis Freitag für die taz von ihren Eindrücken als Teilnehmerin des Antira- und Klimacamps in Lurup.

Mittwochmorgen. Es ist kalt und grau und der Wind schüttelt die regennasse Plane vor der Vokü durch. Darunter sitzen unter anderem all diejenigen, die sich trotz Electro- oder Dub-Party aus den Schlafsäcken geschält haben, um bei der Demo gegen den Bau des Ilisu-Staudamms in der Osttürkei dabei zu sein. An dem Bau haben sich deutsche, schweizer und österreicherische Unternehmen und Banken beteiligt. Dennoch bleibt das Grüppchen zunächst so klein, dass locker alle in einem S-Bahn-Waggon Platz nehmen können.

Als wir am Jungfernstieg ankommen, sind bereits verschiedene Gruppen da und bauen Lautis, Plakate und einen Infotisch auf. Die Aktion erscheint den meisten Campern ungewohnt aufwendig vorbereitet. Vielleicht aber auch die geeignetste Art und Weise, das Publikum an der Binnenalster zu erreichen: die Krawattenträger, die hier ihre Mittagspause verbringen, die aufgetakelten ShopperInnen und allzeit anwesenden Touristen. „Der Staudamm ist inzwischen ein reines Politikum“, meint Kaptan, Student in Hamburg und Mitglied einer kurdischen Hochschulgruppe. Die türkische Regierung wolle jetzt ihr Gesicht in der Kurdenfrage wahren und gebe nicht nach.

Nachdem zwei Trommler und ein Flötenspieler mit traditioneller kurdischer Musik die Aktion eingeleitet haben, stellen Schauspieler in Kostümen eine alltägliche Dorfsituation nach; man sitzt beisammen, es wird gequatscht, gelacht, Tee getrunken. Nach und nach erscheinen Frauen und Männer in Büro-Outfits und begutachten die Umgebung. Sie stellen sich als Banker, Bauunternehmer und Staatsvertreter vor, die mit Geld und Strom für den Bau eines Staudammes zur Energiegewinnung werben. Die Dorfbewohner sind erschüttert, traurig und verzweifelt. Wo sollen sie wohnen, was geschieht mit ihren Feldern, ihrer Lebensgrundlage, was ist mit der Jahrtausende alten Kultur und dem archäologischen Wert ihrer Heimat? Zählt das denn alles nichts? Doch all die Wut nützt ihnen nichts, und so beginnen die Damen und Herren in Grau unter Buh-Rufen mit der Flutung: Sie kippen den Dreien Wasser aus Eimern über die Köpfe. Einige Zuschauer mischen sich nun endgültig ein. Sie gesellen sich zu den Bewohnern, helfen ihnen auf, trösten sie. Am Ende erschallt erneut Musik und einige beginnen zu tanzen.

Ein reichlich fröhliches Ende, meinen einige Mitdemonstranten kritisch. Es entbrennt eine Diskussion über Sinn und Unsinn verschiedenster Protestformen und ihrer Wirkung. Wie um darauf eine Antwort zu geben, durchbrechen wenig später einige Demonstranten in Tretbooten, trommelnd und unterm Jubel der Umstehenden die Bannmeile. So endet die harmlose Aktion für sie im Café des Bootsverleihers, wo bei einer Flasche Cola und dem Gesang der herbeigeeilten Clowns, etwas chaotisch die Personalien aufgenommen werden. „Das sollte aber inzwischen besser laufen“, wundert sich einer grinsend. „Wir sind ja nun schon ein Weilchen hier.“