: Der Kampf der Bananenbauern
In Ecuador steht der Markt kopf: Eine Preisexplosion bringt die Produzenten des fairen Handels in Bedrängnis. Sie können die steigenden Kosten nicht weitergeben und stehen dadurch schlechter da als die Konkurrenten auf dem „freien“ Markt
Die Banane ist mit über 70 Millionen Tonnen Jahresproduktion das am meisten konsumierte Obst der Welt. Etwa 15 Millionen Tonnen gehen in den Export. Exportweltmeister Ecuador hat einen Weltmarktanteil von 29 Prozent bei einer Anbaufläche von etwa 250.000 Hektar. Weitere wichtige Erzeuger sind Peru, Costa Rica, Kolumbien und die Dominikanische Republik. In Ecuador leben 383.000 Familien von der Bananenproduktion. Der staatlich garantierte Abnahmepreis von derzeit 4,75 US-Dollar pro 18,14 Kilo-Kiste deckt die Kosten der Produktion unter Beachtung sozialer Mindeststandards nicht. Europa ist der weltweit größte Absatzmarkt, das Ziel von 30 Prozent des globalen Exports. Die Deutschen konsumieren jährlich rund 600.000 Tonnen Bananen, neben Äpfeln ihr beliebtestes Obst. Davon sind sieben Prozent Biobananen. Faire Bananen haben in Deutschland nur einen Anteil von 1,7 Prozent, bei den Biobananen immerhin 20 Prozent. Die Schweizer konsumieren zu über 50 Prozent Fairtrade-Bananen. PEKO
VON PETER KORNEFFEL
Verkehrte grüne Welt. Die Bananenwaschanlage sprüht den Latex von den frisch zerteilten grünen „Händen“, während der Etikettierer hinter dem Becken drei Siegel pro Sekunde auf die Früchte fingert: „Fairnando – Bio – Fairtrade; Fairnando – Bio – Fairtrade …“ Vom Wellblechdach der Plantagen-Packstation hängt ein alter Staubsauger herab und nimmt den Plastiktüten die letzte Luft, bevor die nunmehr eingeschlossenen Bananen vom tropischen Südzipfel Ecuadors auf die weite Seereise nach Hamburg gehen – in dem sattgrünen Karton mit dem lachenden Bananenmännchen „Fairnando“.
„Ich weiß nicht, wie lange wir im fairen Handel noch aushalten“, zeigt sich die Kleinbäuerin María Inés Cada ernüchtert, aber noch nicht geschlagen. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie die zehn Hektar große Finca María Inés in der Gemeinde Buenavista. Das liegt eine knappe Stunde von dem großen Bananenhafen Puerto Bolívar entfernt, nahe der Provinzhauptstadt Machala. Schon zwei Jahrzehnte produziert die heute 38-jährige Mutter von vier Kindern Bananen am Ufer des Río Calichana. „Sieben Jahre sind wir jetzt im ‚comercio justo‘ und haben einen festen Abnahmepreis“, blickt María Inés zurück. „Wir haben selbst noch Gewinn gemacht, als die Konventionellen weniger als einen Dollar pro Kiste bekommen haben, als sie die Bananen einfach wegwarfen“, erinnert sie sich an Zeiten dramatischer Preiseinbrüche. Der faire Handel hat ihrer Familie jahrelang das Überleben gesichert. Fairtrade half ihr bei der Umstellung vom chemischen auf den organischen Anbau, garantiert ihr Preise von rund 5 bis 6 US-Dollar pro Kiste und finanziert über die zusätzliche „1-Dollar-Prämie“ Gesundheits- und Sozialprogramme, Kleinkredite und Fortbildungen, für sie und die anderen Kleinbauern ihrer Biobananen-Kooperative Primavera. Doch plötzlich stehen die Fairtrade-Ökobauern von Primavera vor dem Ruin. Was ist da geschehen?
Seit 2007 verzeichnet die Landwirtschaft Ecuadors eine Preisexplosion um mehrere 100 Prozent bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Das betrifft Pestizide und chemische Kunstdünger ebenso wie die zulässigen organischen Mittel im biologischen Landbau. Gleichzeitig stiegen die staatlich garantierten Mindestlöhne, eine dringend überfällige Verordnung, um die Landarmut zumindest ansatzweise abzufedern. Allein die Kleinbauern im fairen Handel können ihre dadurch rasant gestiegenen Produktionskosten nicht weitergeben. Niemand will die Preise für María Inés’ faire Biobananen erhöhen, nicht der lokale Exporteur Fruta Rica, nicht der Importeur Port International in Hamburg, nicht Lidl oder der deutsche Edeka-Markt um die Ecke. Die Kleinbauern von Primavera erhalten derzeit 5,50 US-Dollar pro Kiste und verdienen daran nach eigenen Aussagen nur noch 65 Cent – für 18,14 Kilo „fair“ gehandelter Cavendish-Bananen nach höchsten EU-Qualitätsnormen und aus kontrolliert biologischem Anbau.
Der beratende Agrarinspektor der Kooperative, Enrique Tigre, bangt: „Unsere Bauern kämpfen um ihr wirtschaftliches Überleben, sie kämpfen um den fairen Handel. Aber wenn die Preise für unsere Bioware nicht bald steigen, ist es aus.“ Schon sind 6 der 63 Kleinbauern von Primavera abgesprungen. Sie konnten vom fairen Handel nicht mehr leben, verkaufen ihre Früchte wieder auf dem freien, konventionellen Markt, wo derzeit 7 Dollar bezahlt werden, in Wochen mit großer Nachfrage sogar bis zu 12 Dollar pro Kiste.
Die transnationalen Bananenkonzerne, allen voran Chiquita, Dole, Del Monte und der ecuadorianische Bananenmogul Álvaro Noboa mit seinem Label „Bonita“, geben ihrerseits die gestiegenen Produktionskosten weiter. Die Fruchtmultis sind entweder selbst die Betreiber der konventionellen Megaplantagen, oder sie müssen den hohen Preis an Großplantagen zahlen, um die enorme Nachfrage zu stillen, um die teuren Kühlschiffe in Puerto Bolívar zu füllen.
Daher tauchen in diesem Jahr immer wieder fair gehandelte Bananen im europäischen Einzelhandel auf, die preiswerter sind als die nicht „faire“ konventionelle Ware der Großexporteure. Der Spottpreis liegt selbst im Jahresschnitt über dem Fairpreis, eine absurde wie bedrohliche Entwicklung.
Saisonbedingte Spitzenpreise der Transnationalen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Multis nach unten hin niemals einen Mindestpreis garantieren. In der Praxis unterlaufen sie selbst die in Ecuador staatlich festgesetzten Mindestpreise systematisch und erpresserisch. Die Bananenbauern in Ecuador kennen diese Praxis der Saure-Gurken-Zeit, sinngemäß: „Gibst du mir von dem quittierten Preis nicht den Betrag X unter dem Tisch zurück, kannst du nächste Woche sehen, wo du deine Bananen loswirst!“
Unverändert sind auch die Arbeitsbedingungen auf den meisten Großplantagen: intensiver Einsatz von Pestiziden, Bodendegradierung, mangelnder Gesundheitsschutz, Verbot von Arbeitervertretungen, Kurzzeitverträge ohne Kündigungsschutz, selbst Kinderarbeit ist verbreitet.
Die jüngsten Entwicklungen im ecuadorianischen Bananensektor haben auch den fairen Handel überrumpelt. Der Kölner Verein Transfair e. V. ist bereits alarmiert. „Das ist ein klarer Verstoß gegen unsere Standards“, erkennt Claudia Brück, Pressesprecherin von Transfair, bei einem Besuch der Plantagen im August. Fairtrade-Bananen liegen im Prinzip preislich immer über dem konventionellen Preis. Doch Transfair und seine Inspektoren und Zertifizierer von FLO waren auf eine solche Situation nicht vorbereitet. Fairtrade ist langfristig angelegt, doch der Markt verlangt nun nach schnellem Eingreifen. „Mittlerweile läuft der Preis-Review-Prozess auf vollen Touren“, erklärt Claudia Brück. „FLO Cert sammeln derzeit stichhaltige Unterlagen. Für den Herbst erwarten wir neue faire Preise für unsere sechs Kleinbauernkooperativen.“
María Inés Cada, ihre Familie und ihre Arbeiter auf der kleinen Finca am Río Calichana kämpfen unterdes weiter. Sie widerstehen bislang dem Wildwuchs der Düngeindustrie und den Angriffen der Multis auf ihre langjährigen Errungenschaften im fairen Handel. Nach der Preisanpassung bleibt dann noch die Frage, warum die Deutschen so wenig faire Bananen konsumieren.