: Dürfen die Grünen Moorburg genehmigen?
Alles deutet darauf hin, dass Hamburgs grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk am Monatsende das umstrittene Steinkohlekraftwerk im Stadtteil Moorburg genehmigen wird. Hat der Juniorpartner in Deutschlands erster schwarz-grüner Landesregierung damit sein Existenzrecht verwirkt?
Ja
Wer A sagt, muss auch B sagen: Als die überwältigende Mehrheit der grünen Mitgliedschaft dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag zugestimmt hat, hat sie damit zumindest die Möglichkeit einer Genehmigung für das umstrittene Kohlekraftwerk mitunterschrieben. In dem Papier steht ein dürrer Satz zum Thema: „Die zuständige Behörde entscheidet rechtlich über die Genehmigungs- und Erlaubnisanträge zum Bau eines Kohlekraftwerks in Moorburg.“ Da hatte die CDU die Genehmigung längst so weit vorangetrieben, dass nur noch rechtliche Hürden das Projekt würden stoppen können.
Nun hat die Justiz Hinweise darauf gegeben, dass das Kraftwerk genehmigungsfähig ist. Rechtlich ist offenbar nichts mehr dagegen zu machen. Also muss die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk die Genehmigung erteilen. Jetzt so zu tun, als habe man das alles nicht geahnt, und die Koalition platzen zu lassen, damit man sich nicht die Finger schmutzig macht, wäre politisch unreif. Zumal jede andere rechnerisch mögliche Koalition in Hamburg das Kraftwerk ebenfalls durchgewinkt hätte, vermutlich sogar ohne Auflagen.
Natürlich hat die Grün-Alternative Liste in Hamburg massiv Wahlkampf gegen Kohle gemacht. Aber auch die Grünen müssen Entscheidungen mittragen, die sie für falsch halten, so lange sie keine absoluten Mehrheiten gewinnen.
Und so falsch liegen sie in diesem Fall gar nicht: Aus Kohle- und Atomkraft gleichzeitig auszusteigen, scheint vermessen. Gerade verzögern technische Probleme die Erschließung des ersten Offshore-Windparks – und es geht erst um die Anschlusskabel. Die Montage der gigantischen Rotoren auf See kommt erst noch. Das Kraftwerk in Moorburg ist keine ganz schlechte Übergangslösung: Immerhin kann man mitten in der Stadt die Prozesswärme als Fernwärme nutzen. Die wirklich ineffizienten Dreckschleudern sind die sechs Kohlekraftwerke, die an der Unterelbe künftig ihre Abwärme in die Luft pusten sollen.
JAN KAHLCKE
Nein
Wofür braucht die Republik die Grünen? Das ist die Frage. In einer schwarz-grünen Koalition stellt sie sich besonders kompliziert dar. Die Energie-Lobby ist stark in Deutschland und die CDU für industriellen Druck sehr empfänglich. Das wussten die GALier, als sie sich auf den Pakt mit den Schwarzen einließen.
Jetzt droht das Szenario, dass eine grüne Senatorin eine Baugenehmigung aussprechen muss, die alle Umweltverbände zwischen Nordsee und Alpen für einen kapitalen Fehler und eine klimapolitische Erbsünde halten. Das untergräbt die Glaubwürdigkeit der Grünen bundesweit, weil es dem Verdacht nährt, es gehe um die Beteiligung an der Macht – koste es, was es wolle.
Als Kompromiss könnte man diese Zustimmung nur werten, wenn öffentlich um die Frage gerungen worden wäre. Die Grünen an der Macht können aber nicht außerparlamentarische Kampagnen gegen den Senat organisieren. Wie sehr die GAL gekämpft hat, kann keiner nachvollziehen – der Streit fand hinter verschlossenen Türen statt.
Also könnte als rechtfertigendes Element der Hinweis bleiben, was denn bei dem Koalitionskompromiss auf der anderen Seite der Waage steht. Ein verhindertes Möbelhaus? Das interessiert schon zehn Kilometer weiter niemanden, weil es im Zweifelsfalle an einer anderen Autobahnabfahrt gebaut wird. Es hat bei weitem nicht die symbolische Bedeutung wie ein „Verrat“ der eigenen Grundsätze in der Energiepolitik. Dass die Erfolge in der Bildungspolitik den Preis in der Umweltpolitik rechtfertigen könnten, steht den Grünen als Argument auch schlecht zu Gesicht – es gibt in der Bildungspolitik wenig originär Grünes, das sind im Grunde Kopien sozialdemokratischer Pogrammatik.
Überall, wo Kohlekraftwerke geplant werden, wird man den Gegnern den Hamburger Umfall entgegenhalten. Und das betrifft viele Orte in der Republik. Die große Feier der Fertigstellung dürfte in den nächsten Hamburger Wahlkampf fallen. Das wäre der GAL nur zu gönnen!
KLAUS WOLSCHNER