: Das Herz des Präsidenten
Zusammen mit dem erfolgreichen Krimi-Autor Jürgen Alberts hat Eckard Mordhorst einen Tatsachenroman geschrieben. Seit sieben Jahren ist der charmante Causeur nun Chef der Bremer Polizei – deren Ansehen derzeit so schlecht ist, wie nie zuvor
Ganz zum Schluss sieht er sehr müde aus, erschöpft und ziemlich melancholisch. Klar, dass er die Frage erwartet hat, die musste ja kommen. Und wahrscheinlich hat er gehofft, sie wäre ihm erspart geblieben, nach der Dichterlesung, aber jetzt schwebt sie doch im Raum: „Herr Mordhorst, bekommen Sie während so einer Lesung den Zustand der Bremer Polizei aus dem Kopf?“
Die sanfte Stimme beginnt zu bröckeln, der weiße Schnäuzer rutscht ein Stück nach unten. Nein, nicht, natürlich nicht. „Es ist immer das Fehlverhalten Einzelner“, sagt er, „das belastet mich“, alle belaste das. „Jetzt habe ich Sie aber tief in mein Herz blicken lassen.“ Und damit ist das Gespräch zu Ende.
Die Situation ist die: Der Bremer Polizeipräsident Eckard Mordhorst hat einen Krimi geschrieben. Genauer: Er hat mit dem auflagenstärksten Bremer Schriftsteller Jürgen Alberts einen Tatsachenroman verfasst. Der Anstoß kam von ihm. Und jetzt tingelt er mit Alberts durch Stadt und Umland: Am Dienstag in der Stadtbibliothek, am Mittwoch in Fischerhude – man hat sich bewusst „auf die Region beschränkt“, sagt Alberts. Der Radius halt, in dem das Amt des Bremer Polizeipräsidenten Strahlkraft entfaltet.
Jenseits davon taucht der Name Mordhorst nur auf, wenn etwas schief läuft. Also oft. Aber noch nie so geballt wie 2008: Dass Bremer Polizisten Informanten mit asserviertem Hasch bezahlten, fand ganz Deutschland kurios, dass ein Kripo-Beamter sich als Bankräuber versuchte, genauso. Vergangene Woche wurden Kinderporno-Dateien auf dem Laptop eines Fahnders sichergestellt – gegen den die Antikorruptionsstelle schon ermittelte. Hinzu kam im August der 20. Jahrestag des Geiseldramas von Gladbeck. Der Spiegel widmete Mordhorst deshalb 150 gehässige Zeilen – Tenor: der damalige Bremer Kriminaloberrat war an allem schuld und gibt’s noch nicht mal zu!
Ist er mit dem Buch zufrieden? „Man kann“, sagt Mordhorst, „immer alles besser machen.“ Diesen Anspruch dürfe man „nie aufgeben, auch bei meiner wirklichen Arbeit nicht“. Der Fall, den „Leiche über Bord“ erzählt, spielt Mitte der 70er. Matrosen haben den 3. Offizier eines Frachters mit einem Steakhammer erschlagen und zu den Fischen geschickt. Zwei Bremer Polizisten ermitteln während der Überfahrt von Abidjan nach Amsterdam.
Ein echter Fall, Mordhorst war einer der Kommissare: „Wir wissen auch nicht mehr genau, was ist Fiktion, was Tatsache“, sagt er und rückt die Brille zurecht. Sein Pendant im Buch heißt Eggert, aber auch dessen Vorgesetzten hat Alberts mit Mordhorst’schen Marotten ausgestattet: Der Polizeipräsident legt Wert darauf, das Kürzel PP „auf dem Nummernschild seines Privatwagens stehen“ zu haben.
Einmontierte Dokumente und Täterdialoge, verschränkte Zeitebenen – „Leiche über Bord“ ist kein schnöder „Whodunnit“: Nach zwei Dritteln sind die Täter gefasst. Die Suche nach dem Motiv erzeugt die Spannung. Sie bleibt ungeklärt, das war ja auch damals das Schockierende: „Ich werde manchmal nachts wach“, sagt Mordhorst. „Dann denke ich an solche Fälle – und dann kommt immer die Frage: Warum?“
Kein „hardboiled Cop“, eher charmanter Causeur. Statt vorzulesen gibt er ein Kapitel im Rohzustand der Erinnerungen, spricht sicherer, lebhafter, Goldrandbrille auf der Nase, das Redigat vor Augen. Mordhorst, seit 1970 bei der Bremer Polizei, seit 2001 ihr Chef, seit 2002 Professor, ist 61 – zu jung für den Ruhestand. Seit September steht ihm ein Stellvertreter zur Seite. Um, so hat’s Innensenator Ulrich Mäurer genannt, „das ramponierte Ansehen der Bremer Polizei“ zu beheben. Mordhorst wird sich stärker Repräsentationsaufgaben widmen. Und den Erinnerungen. bes
Jürgen Alberts / Eckard Mordhorst: „Leiche über Bord“, Heyne, 192 Seiten, 7,95 €