Zu gelockt für den Club

Harter Techno hat sie zum DJ-Star gemacht, auf ihrem neuen Album wollte Monika Kruse aber auch mal was Melancholisches machen. Sonst hält sie Kurs: Politik findet sie weiter wichtig. Ein Porträt

VON THOMAS WINKLER

Erst vergangenen Samstag war Monika Kruse aus. Hat sich amüsiert, hat gefeiert und geschwitzt. Monika Kruse war tanzen. Selbstverständlich ist das nicht. Denn Kruse ist vom Fach, ein Profi. Kruse ist DJ, ein Star ihrer Branche. Aber im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen ist sie gern auch noch Objekt des eigenen Handwerks. „Ich verstehe nicht“, sagt sie, „warum so viele DJs zu cool oder zu fein sind, als Gast auch mal beim Tanzen die Arme in die Höhe zu reißen.“

Gelegenheit zum zünftigen Armeschwenken bietet auch „Changes of Perception“, das neue Album von Kruse. Auf dem findet die 37-Jährige ganz souverän die Balance zwischen Underground und Massenkompatibilität, zwischen kühl tuckernden, reduzierten Tracks und hymnisch-euphorischen Keyboardflächen. „Ich mag Minimal“, so Kruse, „aber ich hab auch gemerkt, ich brauch mal wieder was fürs Herz, was Grooviges für die Hüften zum Tanzen.“

Das Ergebnis ist, so Kruse, „ein Potpourri aus verschiedenen Stilen, ein paar reine Club-Tracks, aber auch mal was Melancholisches“. Vor allem aber ein „radikaler Bruch“ mit den Erwartungen an sie, denn bekannt geworden ist sie mit harten technoiden Tracks, die Verspieltes ablehnten. „Man hat so ein Image weg“, stöhnt sie, „aber der harte Techno hat mir keinen Spaß mehr gemacht.“ Der harte Techno aber hat sie zu dem gemacht, was sie bis heute ist: ein DJ-Star.

Geboren in Berlin, wuchs sie auf in München. Dort bekam sie 12 Jahre lang Klavierunterricht, dort studierte sie Soziologie bis zum Vordiplom und ein bisschen Kunst, und dort sammelte sie ihre ersten Erfahrungen im Musikgeschäft. Anfang der Neunzigerjahre begann sie aufzulegen und wurde Teil der Ultraworld-Crew, die Techno-Pionierarbeit in München leistete, die ersten einschlägigen Partys veranstaltete und schließlich das legendäre Utraschall eröffnete. Dort gab Kruse den Resident-DJ, bis sie 1997 nach Berlin umzog.

Als sie in ihre Geburtsstadt zurückkehrt, hat Kruse zu kämpfen. Berlin, die Heimatstadt des Techno, empfängt Emporkömmlinge aus dem schnieken München prinzipiell skeptisch. Außerdem sieht Kruse, groß, schlank, gelockte Haare, einfach zu gut aus. „In der puristischen Technoszene kommt man nicht damit klar, wenn ich mir ein Kleid anziehe oder dass ich Locken habe und wie eine Frau aussehe“, musste sie feststellen.

Eine Zeit lang hat sie sogar gemodelt, aber das erwähnt sie heute nicht mehr gern. Vom Playboy und von Maxim kamen Angebote, sich vor der Kamera auszuziehen. Sie hat angelehnt. Das ist nicht die Sorte Nebenjobs, die helfen, als DJ ernst genommen zu werden. Trotzdem hieß es schnell mal: Die sieht besser aus, als sie auflegen kann. „Klar ist das Sexismus“, hat sich Kruse damit abgefunden, „denn der fängt da an, wo man als Frau nicht das machen kann, was man als Mann machen könnte. Und Plattenauflegen ist immer noch eine Männerdomäne – wie der Hiphop oder die Politik.“

Die Politik, auch für die interessiert sie sich. Auch das ist unüblich auf den Tanzböden dieses Landes. 2000 gründete Kruse unter dem Eindruck der ausländerfeindlichen Ausschreitungen „No Historical Backspin“, um „der pauschalen und eindimensionalen Einstufung der Techno-, House- und Clubszene als Spaßgeneration“ etwas entgegenzusetzen. Seitdem veranstaltet No-Historical-Backspin-Abende in immer wieder anderen Clubs in der ganzen Republik, deren Erlöse, bislang mehr als 60.000 Euro, der Amadeu-Antonio-Stiftung zugute kommen. Aufgelegt haben dabei mehr als 100 DJs, darunter prominente Namen wie Paul van Dyk, Move D, Miss Yetti oder Kid Alex. Trotzdem bleibt es ein Bohren dicker Bretter. Es ist schwierig, Clubs zu überzeugen, und das nicht nur, weil sie kostenlos ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen sollen, sondern auch, „weil viele Angst haben, sich in die Nesseln zu setzen, wenn wir ein politisches Statement abgeben“.

Sie macht trotzdem weiter. Auch weil sie gemerkt hat, dass es ein Bedürfnis gibt, sich zu distanzieren von einer sonst als unpolitisch verschrienen Dance-Szene. „Die Läden waren immer voll, die Leute wollen ihre Position klar machen.“ Nun muss sie nur noch aufpassen, nicht zum Bono des Techno zu werden: „Die Frage kommt natürlich ganz schnell: Steht die wirklich dahinter, oder will die auf die Art nur bekannt werden?“

Nötig hat sie es nicht. Ihr Label Terminal M betreibt sie zwar eher ehrenamtlich, denn mit Platten ist kaum noch Geld zu verdienen. Auch die eigenen Veröffentlichungen, selbst das neue Album „Changes of Perception“, dienen eher als Visitenkarten, um sich für DJ-Jobs zu empfehlen. Und als DJ ist Kruse weiterhin gefragt. In Europa war sie fast überall schon, in den USA und Kolumbien, in Japan, Mexiko und selbst in China. Noch immer schleppt sie nahezu jedes Wochenende ihre schweren Plattentaschen zum Flughafen, um irgendwo in der Welt aufzulegen. Und dann, wenn die Menge auf dem Dancefloor sich selbst vergisst, wenn alles nur noch Rhythmus ist und Klang, dann wird auch Monika Kruse mal wieder die Arme in die Höhe reißen.

Monika Kruse: „Changes of Perception“ (Terminal M/ Intergroove). Live am 11. 10. im Weekend