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Archiv-Artikel

„Jetzt ist Party angesagt“

Die Snowboarder verstehen es immer noch zu feiern, doch auch bei den Weltmeisterschaften in der Steiermark zeigt sich, dass der Leistungsgedanke den Spaß immer mehr in den Hintergrund drängt

von KATHRIN ZEILMANN

Zumindest ist Xaver Hoffmann aufgefallen. Weil nämlich seit neuestem bei den Snowboardern Helme im Wettkampf vorgeschrieben sind, aber nicht genau definiert ist, wie die Helme auszusehen haben, ist er mit einer Palette verschiedener Kopfbedeckungen nach Murau in der Steiermark zur WM der Snowboarder gereist. Dort am Kreischberg hatte er allerdings nicht allzu viel Gelegenheit, den Eishockey-, Football- oder Radsport-Helm zu zeigen. Denn bereits in der Qualifikation zum Halfpipe-Wettbewerb war Schluss für ihn. Er liegt im Gesamtweltcup auf Rang zwei, war also Mitfavorit. „Ich hätte mir mehr von ihm erwartet“, sagte Freestyle-Trainer Michael Schuster ein wenig ratlos. Und fügte an: „Die Wertungsrichter haben ihn nicht unbedingt bevorzugt.“ Deshalb hat der gescheiterte Hoffmann nicht einmal beim Finale zugeschaut und ist gleich zurück ins heimische Garmisch-Partenkirchen gefahren. Ob er wütend war? „Ich glaube nicht“, sagt sein Trainer. „Vielleicht enttäuscht. Aber Xaver ist ein Profi.“

Die WM am Kreischberg war der Neuanfang für den Snowboard-Sport in Deutschland. Denn am 1. Januar hatte sich aus den Snowboardern des Deutschen Skiverbandes und der German Snowboard Association (GSA) der Snowboard-Verband Deutschland (SVD) gegründet. Keine Streitereien also mehr zwischen den Organisationen, kein Gezänk mehr, ob die DSV-Snowboarder jetzt spießig und die GSA-Athleten die wirklich coolen Boarder sind. „Für den Snowboard-Sport in Deutschland ist ein gemeinsamer Verband die absolut richtige Entscheidung“, sagt Uwe Beier, als Bundestrainer im neuen Verband zuständig für die alpinen Disziplinen.

Dass mit einer Medaille, Bronze im Parallel-Riesenslalom für Heidi Renoth, die Bilanz der Titelkämpfe nicht sehr rosig aussieht, dürfte die Euphorie rund um die Neuorganisation ein wenig dämpfen. Immerhin müssen sich die Verantwortlichen keine Kritik vom DSV mehr gefallen lassen. Irgendwie, so schien es, haben die Boarder das Gefüge von lustigen Mädchen auf Alpin-Skiern und schmächtigen Buben an Sprungschanzen doch ein wenig durcheinander gebracht. Und dann bei der Olympiade 2002 keine Medaille, nur hintere Ränge. Der DSV kritisierte und entließ die Boarder zumindest teilweise in die Selbstständigkeit: Denn noch immer ist der SVD „unter dem Dach des DSV“, wie es heißt, organisiert.

Zurück zum Sportlichen: Heidi Renoth habe, wie sie pathetisch feststellte, „die Ehre der Deutschen bei der WM gerettet“. Stimmt irgendwie, denn auf die Rosenheimerin, die bodenständig und brav, nicht cool, hip und draufgängerisch wie viele ihrer Kollegen wirkt, war meistens Verlass. 1998, bei Olympia in Nagano zum Beispiel, als sie beim ersten Olympia-Auftritt der Snowboarder Silber gewann und der Sportart in Deutschland zu zusätzlicher Popularität verhalf.

Doch der Boom des breiten Bretts scheint vorbei zu sein. Erstmals verzeichnete der Handel weltweit einen Umsatzrückgang mit Snowboards und Ausrüstung um 20 Prozent. Die Snowboard-Szene scheint solide geworden zu sein, der Leistungsgedanke steht vor dem Spaß. „Wir sind Vollprofis“, bemerkt Jan Michaelis aus München, Neunter beim Halfpipe-Wettbewerb und damit einziger Deutscher im Finale. Er hält ein wenig inne, sagt dann: „Aber jetzt ist Party angesagt.“ Sie feiern immer noch, wissen aber auch, dass die besten Snowboarder längst viel mehr Zeit im Kraftraum und in der Turnhalle anstatt in Szenebars verbringen.

Um ihre Sportart wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, gastiert der Weltcup vermehrt in Städten. Berlin zum Beispiel bereits zu Beginn der Saison, München folgt am 1. Februar. „Die Entwicklung wird weitergehen. In den Städten ist ein riesiges Potenzial an Zuschauern und jungen Leuten, die vielleicht Lust aufs Snowboarden bekommen“, sagt Uwe Beier.

Die Show am Kreischberg verfolgten immerhin ungefähr 40.000 Zuschauer, „das ist eine WM, wie man sie sich vorstellt. Es hat einfach alles gepasst. Von der Organisation bis hin zu den Konzerten und den Partys im Rahmenprogramm“, schwärmt Beier. Ein bisschen trauert er noch den vertanen sportlichen Chancen nach. Markus Ebner beispielsweise wurde zweimal nur 15., Sandra Farmand scheiterte jeweils in den Qualifikationsläufen. Auch Michael Schuster hatte sich mehr von seinen Schützlingen erhofft, vor allem beim Big-Air-Wettbewerb. Die akrobatischen Sprung-Einlagen waren erstmals Bestandteil des WM-Programms. Vinzenz Lüps ist einer der besten Big-Air-Fahrer, doch gerade bei den Titelkämpfen wurde er nur Zehnter. „Ich hätte ihn gerne auf dem Podest gesehen“, sagt Schuster. „Aber die Jungs schauen schon wieder nach vorne, die Konzentration gilt jetzt dem Weltcup.“ Auch bei Xaver Hoffmann. Vielleicht überlegt er schon, welchen Helm er wählen soll.