Kriegsproteste in Washington

An der Demonstration am Samstag nahmen weniger Menschen teil als erhofft. Doch trotz der klirrenden Kälte kamen viele Leute, um ihren Unmut über einen drohenden Angriff auf den Irak und die Außenpolitik von Präsident Bush auszudrücken

aus Washington MICHAEL STRECK

Am Samstag haben in der US-Hauptstadt rund 30.000 bis 500.000 Menschen vor allem gegen einen drohenden Irakkrieg und die Außenpolitik von Präsident George W. Bush demonstriert. Auch in San Francisco und einigen anderen Städten des Landes sollen Berichten zufolge viele Leute protestiert haben. Leider fiel die Botschaft des Protestes einem bizarren Streit über die Teilnehmerzahlen zum Opfer.

Schon in der Vorankündigung auf das erhoffte US-Großereignis überschlugen sich vor allem europäische Meldungen. Sie sagten hunderttausende von Kriegsgegnern auf den Straßen zwischen Weißem Haus und US-Kongress voraus. Nachrichtenagenturen berichteten dann am Samstag von einer halben Millionen Teilnehmern. Die Organisatoren griffen ähnlich hoch. Bei allem war wohl der Wunsch der Vater des Gedanken.

Beobachter erinnerten sich an die letzte tatsächliche Massendemonstration im April gegen die Nahostpolitik der Bush-Regierung. Doch selbst damals bevölkerten nicht mehr als 100.000 Menschen die breite Pennsylvania Avenue. Nüchterne Schätzer glauben daher eher die untere Skala der genannten Zahlen.

Immerhin: Trotz bitterer Kälte ließen sich eine ganze Menge Leute nicht abschrecken, um ihren Unmut über den drohenden Irakkrieg auszudrücken. Mit Skimützen und dicker Winterkleidung versammelte sich die Protestbewegung auf der National Mall vor dem Capitol. Die Menschen waren mit Bussen für diesen einen Tag aus dem ganzen Land angereist. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie „Give Inspectors a Chance“, „UN Action not US over Reaction“ oder „Money for Jobs not War“. Die 21-jährige Studentin Nancy Fisher aus Miami hatte 14 Stunden im Auto gesessen. „Bush soll gegen Terror kämpfen, nicht gegen Saddam. Der hat uns nicht angegriffen“, sagt sie.

Auffallend war die Vielfalt der Demonstranten. Vietnamveteranen marschierten neben Spartakisten, Gewerkschaftler, christliche Friedensgruppen neben Studenteninitiativen und vielen Familien mit Kindern – ein deutlicher Unterschied zu der überwiegend von linken Politikaktivisten getragenen Demonstration im vergangenen Frühjahr. Der Protest gegen den Irakkrieg hat offenbar die Mitte der US-Gesellschaft erreicht. Politische Schwergewichte waren jedoch Mangelware. Außer dem stets anwesenden schwarzen Bürgerrechtler Jessie Jackson ließ sich auch keine einzige Oppositionsfigur der Demokraten blicken.

Aufgerufen hatte zu der Demonstration die Organisation „Answer“, ein Aktionsnetzwerk, das nach dem 11. September gegründet wurde. Die Veranstalter hatten gehofft, dass sich weit mehr Menschen dem Straßenprotest anschließen würden. Sie hatten bewusst das lange Wochenende gewählt, da am Montag, einem US-Feiertag, Martin-Luther-King gedacht wird. Dennoch zeigte sich Answer-Sprecher Tony Murphy überzeugt, dass die Mehrheit der Amerikaner keinen Krieg wolle. „Das Geld soll nicht in Bomben, sondern in Bildung gesteckt werden“, sagte er. Außerdem ginge es Bush nicht um Massenvernichtungswaffen. Das eigentliche Motiv seien „Milliarden Tonnen Öl“.