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Archiv-Artikel

Reden gegen die Resignation

Eigene Friedensentwürfe in der Irakfrage hat die Bundesregierung nicht. Außenminister Fischer versucht, für Hans Blix und seine Inspektoren weiter Zeit zu gewinnen. Denn solange die Untersuchungen laufen, muss die Kriegsmaschinerie warten

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Es klang wie Joschka Fischers belanglosester Satz des gestrigen Tages – und doch umreißt er wahrscheinlich die letzte Chance der deutschen Außenpolitik, einen eigenen Beitrag zur Verhinderung des heraufziehenden Irakkrieges zu leisten: „Ich kann Ihnen keinen Zeitrahmen nennen.“

Die Frage zur Antwort lautete, wie viel Zeit UNO-Chefinspekteur Blix und sein Team für weitere Waffeninspektionen bekommen sollten. Je länger die Inspektionen dauern, umso besser, soll Fischers Satz wohl besagen, und ähnlich äußert sich der Kanzler. Es ist das kurzfristige, pragmatische Ziel einer Bundesregierung, die zum jetzigen Zeitpunkt an große Friedensentwürfe selbst nicht mehr recht glauben kann.

Einen letzten Spielraum sehen Fischer und seine Diplomaten wohl noch: Bisher haben die USA auch intern keine Deadline für einen Abschluss der UNO-Untersuchungen gesetzt. Da sollten wir, so die deutsche Linie, einen Teufel tun, von uns aus ein Datum zu nennen.

Solange die Inspektionen weitergehen, muss die Kriegsmaschinerie warten. Solange die Diplomatie noch eine Chance hat, können die Deutschen zumindest ein wenig mitreden. Ist der erste Schuss gefallen, sind die Deutschen außen vor.

Spätestens mit der Vorstellung des Blix-Berichts hat sich also das Ringen zwischen Kriegsskeptikern und Kriegsbefürwortern, zwischen großen Teilen Europas und großen Teilen der US-Regierung verlagert auf eine beinahe formale Frage: Wie viel Zeit ist genug Zeit für Hans Blix?

Zwar gewinnt der Ruf von Frankreich und Deutschland nach mehr Zeit für die Waffeninspektoren europaweit an Zuspruch. Doch in Berlin weiß man sich deshalb dem gesteigerten Misstrauen der Falken in der amerikanischen Administration ausgesetzt. Aus deren Sicht versucht ein ohnehin kriegsscheues Europa nur, einen baldigen wie unerlässlichen Angriff auf Bagdad möglichst lange hinauszuzögern. Mit Beteuerungen versuchen die Deutschen dem Vorwurf aus den USA zuvorzukommen. „We are not in the business of buying time“ lautet in diesen Tagen das Mantra im Auswärtigen Amt, es gehe nicht darum, Zeit zu schinden.

Letztlich macht sich auch in der Bundesregierung niemand Illusionen, dass ein Krieg durch Vertagung zu verhindern sei. Schon Fischers Nahost-Reise vom Wochenende diente zwei Zielen zugleich: mit den Gastgebern Ideen für den Frieden auszutauschen – und Interessen für die Zeit nach einem Krieg zu sondieren. Ungeachtet aller Anstrengungen, den Krieg noch abzuwenden, schleicht sich also eine neue Perspektive ein: der Blick über das Schlachtfeld hinaus.

Trotzdem machen sie weiter, Fischer und seine Diplomaten. Als wollten sie es selbst nicht wahrhaben, reisen und reden sie an gegen das Gespenst der Resignation, getrieben von der Hoffnung auf einen Ausweg, den keiner mehr sieht. „Was sind die Alternativen?“, fragt einer, „hinsetzen, zurücklehnen und dem Unglück seinen Lauf lassen?“