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Archiv-Artikel

Immer mehr Geld

LONDON/BRÜSSEL rtr/dpa ■ In ganz Europa wurden gestern Finanzpakete zur Rettung der Banken geschnürt. So greift die britische Regierung drei angeschlagenen Großbanken mit bis zu 46 Milliarden Euro unter die Arme und könnte damit bei diesem zum jeweiligen Mehrheitsaktionär werden. Als Bedingung für den staatlichen Rettungsring müssen Royal Bank of Scotland, HBOS und LLoyds unter anderem die Managergehälter kappen und freizügiger Kredite an kleine Betriebe vergeben. Zudem dürfen sie keine Dividende mehr zahlen. Die Anleger reagierten entsetzt auf die Verwässerung ihrer Anteile: Die Aktienkurse der Institute stürzten bis zu 30 Prozent ab.

Am Sonntagabend hatten sich die Regierungen der Eurozone und Großbritanniens auf einen „Instrumentenkasten“ zur Eindämmung der Finanzkrise geeinigt. Dazu zählen Liquiditätshilfen ebenso wie Kapitalspritzen und neue Bilanzierungsregeln für Banken. Auch eine Teilverstaatlichung von Banken wurde nicht ausgeschlossen. Den Maßnahmen will sich auch das Nicht-Euro-Land Schweden anschließen.

In Frankreich soll das Rettungspaket 360 Milliarden Euro umfassen und wie in Deutschland bis Ende 2009 gelten. Mit 320 Milliarden Euro will Paris Kredite zwischen den Banken absichern, 40 Milliarden Euro werden bereitgestellt, um Banken in Schwierigkeiten mit frischem Kapital zu versorgen. Dabei könne der Staat zwischenzeitlich auch Anteile an den Instituten übernehmen. Präsident Sarkozy bekräftigte, er wolle gescheiterte Manager „bestrafen“ und auf eine grundlegende Veränderung des internationalen Finanzsystems hinarbeiten.

Spanien will in diesem Jahr staatliche Garantien für neue Bankschulden bis maximal 100 Milliarden Euro übernehmen. „Wenn das Finanzsystem reagiert, wie wir das erwarten, wird die Maßnahme den Steuerzahler nichts kosten“, sagte Premier Zapatero. Und auch Österreich schnürt an einem Paket: Es soll 100 Milliarden Euro groß sein.

Keine Maßnahmen plant dagegen Italien. Weitere Refinanzierungsmöglichkeiten für die Banken des Landes seien nicht notwendig. „Unsere Position ist optimal und viel besser als in anderen Ländern“, sagte Ministerpräsident Berlusconi.

Angesichts der Finanzkrise schreibt die EU-Kommission das Ziel ausgeglichener Haushalte bis 2010 vorerst ab. „Wir wissen alle, unter welchen Umständen dieser Beschluss gefasst wurde“, sagte eine Sprecherin. Als die Länder der Euro-Zone im April 2007 verkündeten, ihre Defizite binnen drei Jahren auf null senken zu wollen, habe es noch wirtschaftliches Wachstum gegeben.

Nach dem fast bankrotten Island kommt nur auch Ungarn in Bedrängnis. Ende vergangener Woche war es zu spekulativen Angriffen auf Staatsanleihen und die Landeswährung Forint gekommen. Diese hatte gegenüber dem Euro um bis zu 6 Prozent an Wert verloren. Der IWF stehe „in intensiven Verhandlungen mit den ungarischen Behörden und der EU, um weitere Antworten auf die Herausforderungen zu erörtern“, hieß es in einer Stellungnahme. Ungarns Finanzminister Veres schloss allerdings aus, dass Ungarn IWF-Kredite aufnehmen würde. Zugleich zeigte sich IWF-Chef Strauss-Kahn optimistisch. Die Finanzkrise könnte ihren Gipfel bereits hinter sich haben, sagte er zum Abschluss der IWF-Tagung in Washington. Der IWF werde Lehren aus der Krise ziehen und Vorschläge für eine Reform des internationalen Finanzsystems vorlegen.

Nach Ansicht des arbeitgebernahen Forschungsinstituts IW könnte die deutsche Wirtschaft 2009 mit einem blauen Auge davonkommen. „Wenn sich die Lage jetzt beruhigt, haben wir die Chance, dass es auf eine Stagnation hinausläuft.“