Kundendienst am Arzt

Ein Delbrücker Tierdoktor soll 1,3 Millionen Euro zahlen, weil er die Schweinepest verbreitet habe. Seine Kunden sammeln für ihn

„Der Kreis müsste Fehler einräumen – wer eine Behörde beleidigt, sticht in einen Wespenhaufen.“

Von Christoph Schurian

Es geht um Leben und Tod im Delbrücker Land: Um den Tod von 65.000 Schweinen und das Leben eines Viehdoktors. Ohne seine Kunden, glaubt Tierarzt Karl-Heinz Schmack, wisse er nicht, ob er noch am Leben wäre. Und auch Landwirt Bernhard Troja weiss um die Nöte des Tiermediziners: „Ohne die Solidarität wäre dieser Mensch vielleicht schon nicht mehr da!“

Das Oberlandesgericht Hamm hat gegen Schmack Ende Dezember ein Urteil gesprochen: Der 53-jährige Tierarzt habe demnach „grob fahrlässig“ dazu beigetragen, das sich vor sieben Jahren die Schweinepest im Kreis Paderborn ausgebreitet habe. 65.000 Schweine wurden gekeult, Landwirte wurden aus dem Tierseuchentopf entschädigt. Bis zu sieben Millionen Euro flossen aus der Tierseuchenkasse, aus Landesmitteln und der EU.

Das Land Nordrhein-Westfalen verklagte den Tierarzt, weil er nicht sofort an die Schweinepest gedacht habe. Statt den Kontakt mit Tieren zu meiden und Schutzkleidung zu tragen, sei er weiterhin seiner Arbeit nachgegangen. Der Doktor wurde zu 1,3 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt.

Seine Kunden sind empört. Nach dem Urteilsspruch wurde jetzt ein Solidaritätskomitee einberufen. „Wir können das Urteil nicht ändern“, sagt Landwirt Troja. Dennoch wollten sie für ihren Tierarzt eintreten: „Wir kennen ihn als Mensch, kennen seine Arbeit – dass er grob fahrlässig gehandelt haben soll, ist für uns nicht nachvollziehbar“, sagt Troja. Er schrieb alle Kunden des Mediziners an, von 300 kamen 240 zu einer Versammlung: „Das war ein moralischer Freispruch“. Am 21. Januar werde es eine weitere Veranstaltung geben, um den abgeurteilten Veterinär zu unterstützen. Auch Geld werde gesammelt, die Aktion „Hilfe Dr. Schmack“ habe eine Welle der Solidarität ausgelöst. Man wolle, das der Tiermediziner wenigstens seine Approbation zurück erhalte.

Zu den gerichtlichen Vorwürfen gegen den Viehdoktor möchte sich Troja nicht äußern. Aber: „Für uns ist es nicht akzeptabel, einen Einzelnen dafür verantwortlich zu machen“. Zur Verbreitung der Seuche würden viele Faktoren beitragen.

Der verurteilte Mediziner freut sich über das bäuerliche Mitgefühl. Die Strafe von 1,3 Millionen Euro würde seinen Ruin bedeuten. Für ihn habe es sich bei der Epidemie von 1996/97 nur um eine „sogenannte“ Schweinepest gehandelt. Die Blutproben aus den Höfen, die er betreute, seien allesamt negativ ausgefallen. Zudem habe er eines der verendeten Schweine frühzeitig zur pathologischen Untersuchung geschickt. Der Arzt wirft dem Veterinäramt des Kreises Fahrlässigkeit vor: Die Seuche sei erst aufgetreten, nachdem Amtsärzte zur Blutentnahme die Höfen bereisten. „Sie haben immer die selbe Oberkieferschlinge angelegt“, auch dadurch könnten die Tiere infiziert worden seien. Seine Vorwürfe gegen das Kreisamt, seien ihm übel genommen worden – das Amt habe „Folgen“ angedroht.

Der Tierarzt will alle gerichtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um gegen das Urteil vorzugehen. Und auch die Bauerninitiative gibt nicht auf: Im Vorfeld des nächsten Soli-Abends soll ein Gespräch mit Landrat Roland Wansleben stattfinden, ein runder Tisch aller Betroffenen. Tierarzt Karl-Heinz Schmack bleibt skeptisch: Der Kreis müsse dann eigene Fehler einräumen, „wer eine Behörde beleidigt, sticht in einen Wespenhaufen“.