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Archiv-Artikel

Suche Frau mit 150 Hektar Land

Der norddeutsche Agrocineast Detlev Buck über Ernährung und Unterhaltung: „Während auf einem Dorffest Bauern über Getreide und Schweinepreise reden, reden auf einer gelungenen Premiere alle über mögliche Filmpreise“

Ernährung und Unterhaltung. Beides hat mich immer interessiert, einen guten Film sehen und dabei futtern – ist doch super. Als das Privatfernsehen anfing, sich zu etablieren, habe ich angefangen, Landwirtschaft zu lernen.

Ich war schon immer gerne antizyklisch. Ich erinnere mich, Bauern wurden meistens Bauern. Viele Freunde haben im Sommer auf den Feldern gearbeitet, und danach sind wir oft ins Auenland gefahren. Es war sehr lustig. Alle träumten davon, einmal eine Frau mit 150 Hektar Land zu treffen, aber im Auenland gab’s diese Frauen nicht. Wir schissen auf die Expansion und hatten weiter Spaß.

Schneiden im Winter

Aber das Auenland ist abgebrannt. Unser Hof ist nicht existenzfähig, heißt es, zu klein. 20 Hektar Eigenland. Wachsen oder weichen. Ökologische Landwirtschaft? Leute sparen lieber an der Ernährung als an der Unterhaltung. Vielleicht ein so genannter Entwicklungshelfer werden, dorthin, wo man gebraucht wird. Zwei Treffen mit frustrierten Entwicklungshelfern haben mir den Schwung genommen.

Ich bin dann umgestiegen zur Unterhaltung. Der Rhythmus der Jahreszeiten hat mich weiterhin auch beim Filmemachen bestimmt.

Geschrieben wurde immer bis ins Frühjahr, ab dann wurde ich wegen der Umsetzung nervös – wenn Geld, Besetzung oder Drehort fehlten. Das wachsende Getreide oder Gras hat mich angetrieben. Im Spätsommer Anfang Herbst in der Erntezeit wird gedreht. Im Winter, wenn die Vegetation ruht, ist es schön, das geerntete Material im Schneideraum zu schneiden. Auch sonst verhält sich diese Branche ähnlich wie die Bauern: während auf einem Dorffest Bauern über Getreide und Schweinepreise reden, reden auf einer gelungenen Premiere alle über mögliche Filmpreise, wirklich! Also da unterscheiden sich diese beiden Branchen gar nicht.

So weit kannte ich alles bei der Unterhaltung, aber auch hier hieß es plötzlich, man müsse expandieren, um zu überleben, genau wie in der Landwirtschaft. Frauen mit großen Produktionsfirmen im Hintergrund gab’s nicht, nur Schauspielerinnen. Oder ich bin wieder nicht an Orten, wo diese Frauen sich aufhalten. Ich habe die Unterhaltungsbranche auch nicht so kennen gelernt, dass man sich über Heirat seriös vergrößert.

Bauern und Börse

Expansion sollte über Börse stattfinden.

Ich wurde irgendwie nervös.

Bin einmal um die Welt geflogen, hab gemerkt, das ist ja nicht viel, worum sich’s dreht, und, Mann, da ist ja viel Wüste mehr als alles andere. Und habe beschlossen, verdientes Geld aus der Unterhaltung in Land anzulegen.

Erst mal kann man dann auch als zu kleiner Bauer wieder mit ernähren. Außerdem ist die Unterhaltungsbranche auch nicht verlässlich.

Als Bauer bist du vom Wetter abhängig, als Filmemacher vom Publikum – was ist besser? Das Wetter ist, seitdem ich damit zu tun habe, extrem launisch, launischer als das Publikum.

Also wieder zur Unterhaltung.

Durch die Börse und nicht nur deswegen gibt es ja jetzt eh genügend Unterhaltung, die privaten Sender sind wie Pilze aus dem Boden geschossen, aber auch insgesamt die Programme, sowie auch die Multiplexe – so viel Unterhaltung und ganz viele Mehrteiler mit viel computeranimierten Bildern, so viel kann man sich gar nicht unterhalten lassen.

Aber bei der Ernährung sieht es genauso aus, so viel ernähren kann man sich gar nicht, wie da ist. So liegt das Land im Osten Europas jetzt auch teilweise unbestellt da. Strukturlos.

Wir leben also im Schlaraffenland, ganz viel Unterhaltung und ganz viel Ernährung sind gesichert, und wo das nicht gesichert ist, sind erhebliche politische Katastrophen der Grund, und trotzdem fällt mir auf, dass weder die Unterhaltung noch die Ernährung eine gut gewachsene, angenehme Struktur hat. Irgendetwas ist langweilig, schmeckt gleich oder gar schlecht.

Ernährung, Unterhaltung

Auf den Feldern arbeiten meine Freunde, bis auf einen, schon gar nicht mehr. Und der fährt mit einem großen Schlepper, getrieben von der Zeit, umher und versucht, das zu schaffen, was vor zwanzig Jahren vier Familien geschafft haben. Glücklich ist er nicht, er vermisst auch Freunde, mit denen er reden kann. Aber von denen hat er ja das Land gepachtet, die haben keinen Grund mehr, zu kommen. Er hat überlebt und ist einsam.

Im Kino gibt es wenige große Filme (bis auf vielleicht ein bis zwei Ausnahmen im Jahr), die versuchen, alle Leute zu unterhalten und mit großen Marketingmaschinen das zu schaffen, was vor zwanzig Jahren vier Filme nicht geschafft haben. Froh machen die Filme nicht, sie ähneln sich. Die Regisseure sind wohl reich, mehr weiß ich nicht, ich kann sie bei einer Premiere nur kurz sehen, sie haben viele Security-Leute um sich, vielleicht hat die auch bald ein Bauer um sich. Der erfolgreiche letzte Bauer auf dem Feld.

Das Mittelfeld ist weg. Den großen Kinos geht’s trotzdem schlecht. Bei den großen Bauern fängt es jetzt auch an. Meine Idee, im Osten mit zu ernähren, ist nicht aufgegangen.

Ich habe immer was versucht. Aber die Realität ist so, wie sie ist. Jetzt hat die Industrie auch noch die Maßnahme im Kopf, genveränderte Nahrungsmittel zu verkaufen. Die Folge: Es wird wohl noch strukturloser, labbriger, ähnlicher, gleichgeschalteter.

Aber jede Gesellschaft bekommt die Filme, die sie verdient oder in die sie geht, und die Ernährung, die sie verdient oder kauft. Da kann man so schlau sein wie … ein taz-Leser, das bleibt so.

Ihr Ernährer und Unterhalter (oder umgekehrt!)