: Markenzeichen Doppelstockbett
Jugendherberge war früher: Heute übernachten junge Leute im Hostel. 4.500 Betten hat die Branche in Berlin
Der blau-weiße Plattenbau steht parallel zu den S-Bahn-Gleisen am Bahnhof Landsberger Allee. Früher waren hier Büros von Babcock-Borsig, seit November leuchtet das Wort „Generator“ auf dem Dach. Hostel hat man lieber nicht dazugeschrieben, der Begriff hat kein so gutes Image. Wenn man aus dem achten Stock schaut, kann man Schwimmer im Olympiabecken neben dem Velodrom sehen. Keine so schlechte Aussicht – wenn man die Nacht nur besser geschlafen hätte. Einer in dem gemischten 14-Bett-Zimmer im „Generator“ war ein ausgemachter Schnarchsack. Dafür hat die Übernachtung im Doppelstockbett nur 12 Euro gekostet. Inklusive Frühstück, und – nicht selbstverständlich im Hostel – auch inklusive Bettwäsche.
Echten Luxus erwartet aber kaum ein Backpacker. Er will vor allem andere Leute kennen lernen, deshalb sind Einzelzimmer gar nicht beliebt. In den Mehrbettzimmern ist jede Schlafstatt einzeln nummeriert, Rauchen und Lebensmittel absolut verboten. Die Bar soll schließlich auch Umsatz machen. Und die Bäder befinden sich meist auf dem Gang. Wenn sie im Zimmer sind, dann als winzige Nasszellen. „Aber mit Powerduschen“, betont Hostelchef Eric van Dijk.
Das „Generator“, seit November 2002 Deutschlands größtes Hostel mit 854 Betten, ist selten ausgelastet. Manchmal verlieren sich nur 25 Gäste in dem Bau, der ein wenig wie eine Provinz-Technodisko aussieht. Überall Chrom und blaues Neonlicht, sogar der Frühstückssaal mit Blick auf den S-Bahnhof wirkt wie eine kühle Metallinstallation. Nur einer ist garantiert immer da: Eric van Dijk verzichtet auf eine Wohnung in Berlin. Eine Auslastung von mindestens 60 Prozent wünscht sich die Londoner „Generator“-Zentrale von ihm. Erst ab 80 Prozent sei man profitabel. Immerhin haben die englischen Investoren rund 5 Millionen Euro in den langen Kasten gesteckt. Van Dijk hofft von Großveranstaltungen gegenüber im Velodrom zu profitieren. Ein Ausfall der Love Parade wäre für ihn wie für alle Rucksack-Hotels der Stadt katastrophal.
Inzwischen gibt es rund 4.500 Hostelbetten in Berlin. Es ist das Segment, das in der Hotelbranche in den vergangenen Jahren am meisten Zuwachs hatte. Hostels sind neu in Deutschland. Früher verhinderten Vorschriften Mehrbettzimmer ohne Bad. Nur Jugendherbergen waren ausgenommen. In den Neunzigern erstritt dann das „Circus-Hostel“ in Berlin-Mitte neue Vorschriften. Neben seiner Filiale an der Volksbühne gibt es seit letzten Winter ein zweites „Circus“, direkt am Rosenthaler Platz.
Schon das Foyer wirkt gemütlich, beherbergt ein kleines Café mit Frühstück bis 13 Uhr, in dem sich sogar Schüler aus dem John-Lennon-Gymnasium um die Ecke treffen, weil sie es so schön international finden. Hier kann man tatsächlich Backpacker aus Hawaii, Australien oder Südamerika begegnen. Die größten Zimmer haben sieben bis acht Betten. Die Sicht reicht von den oberen Stockwerken bis zum Alex oder zum Dom.
Die Philosophie des „Circus“ ist, die Räume möglichst individuell und nett mit Fotos an den Wänden auszustatten. „Wir renovieren lieber öfter, dann wird auch weniger zerstört oder gestohlen“, sagt einer der drei Besitzer, Christian Göppert. In den bunt bemalten Gängen hängen kleine Infotafeln. Die verhindern nebenbei auch noch, dass Rucksäcke die Wand zerkratzen, weil die Träger aufrechter gehen, um zu lesen. Solche kleinen Tricks sind typisch für die drei jungen Berliner „Circus“-Betreiber, die lange selbst in der Welt rumgereist sind. Christian Göppert ist mit der Auslastung zufrieden, sieht in der expandierenden Branche aber eine Sättigung erreicht: „Die Bettenanzahl hat sich im letzten Jahr verdoppelt. Merkwürdigerweise geht man überall in der Welt davon aus, dass Berlin die Boomtown ist – was nie so war. Aber Berlin ist immer noch relativ gut gebucht. Und in der Krise verlieren die preiswerten Hostels weniger als teure Hotels.“
Das „Circus“ bietet ein Bett ab 13 Euro, dazu kommen einmalig 2 Euro für Bettwäsche. Das Frühstück kostet 4 Euro. Absoluter Knüller und fast schon Luxus sind die Apartments (ab 75 Euro) mit Küche im ausgebauten Dachgeschoss. Hier kann der Hostelbewohner sogar auf der Terrasse rumlümmeln. In Berlin tätige Künstler haben sich hier teilweise schon wochenlang eingemietet, erzählt Göppert.
ANDREAS BECKER