: Saddams Schuh-Spion
Ein ehemaliger Feldwebel und Sammler könntefür den US-Präsidenten zum Stolperstein werden
Den Sicherheitsbeamten des Washingtoner Flughafens war er aufgefallen, weil er humpelte. Noch verdächtiger machte sich Brian Regan, als er in der Flughafenhalle stehen blieb, um das Schnürband seines rechten Schuhs zu straffen. Die Beamten forderten Verstärkung an. Die Gefahr, dass es sich bei dem Observierten um einen Nachahmer des „Schuhbombers“ Richard Reid handelte, schien ihnen zu groß. Ein ziviles Einsatzkommando stellte den Verdächtigen schließlich in der Herrentoilette beim Händewaschen: „Darf ich mir noch die Seife abspülen?“, soll der Festgenommene bei seiner Verhaftung gefragt haben.
Jetzt steht Brian Patrick Regan vor dem 7. Geschworenengericht im US-Bundesstaat Virginia. Der 40-Jährige, der in der Abteilung für Nationale Aufklärung Spionagesatelliten betreute, wirkt zu Prozessbeginn noch gelassen. Den Vorwurf, er habe dem Irak und China Informationen über amerikanische Waffen angeboten, bestreitet der ehemalige Hauptfeldwebel. Schließlich hätten die Ermittler bei der Festnahme lediglich Koordinaten einer chinesischen und einer irakischen Raketenbasis in seinem Schuh gefunden: „Welchen Sinn ergäbe es denn, diesen Ländern den Standort ihrer eigenen Waffen mitzuteilen. Für wie dumm halten Sie mich?“, fragt Regan aufgebracht und wird vom Richter ermahnt.
Die Staatsanwaltschaft wirft Regan vor, Iraks Präsident Saddam Hussein einen 800-seitigen Geheimbericht und Satellitenbilder für 13 Millionen Dollar angeboten zu haben. Einen entsprechenden Brief hatten die Ermittler auf Regans Computer sichergestellt. Auch der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi soll mit einem solchen Brief bedacht worden sein. Diesen Zusammenhang bestreitet Regan: „Natürlich hatte ich zu Hause Satellitenbilder, zur Fortbildung und zur Urlaubsplanung.“ Einen Brief an Hussein, so Regan, habe er auch geschrieben, jedoch sei darin weder Geld verlangt worden, noch habe er Informationen in Aussicht gestellt. Vielmehr wollte er sich den Spaß erlauben, Hussein selbst Geld anzubieten, wenn dieser ihm seine geheimen Waffendepots offenbart. Abgeschickt habe er den Brief aber nicht. Im Sinne der Anklage, so auch die Verteidigung, sei Regan unschuldig. Nach fünftägiger Beratung sprechen die Geschworenen ihr Urteil: Regan wird der Spionage für schuldig befunden, da er dem Irak und China Informationen über amerikanische Waffen angeboten habe.
Doch werden auch bei diesem Prozess die wahren Sensationen nicht vor dem Richtertisch, sondern zwischen Angehörigen, Anwälten und den Medien verhandelt: Regan, so dringt es aus diesen Kreisen, sei Mitglied einer Abteilung gewesen, die sich auch damit befasste, kompromittierendes Material über George W. Bush zu sammeln. Im Falle der Missliebigkeit des US-Präsidenten soll dieses Material veröffentlicht werden, um den Texaner zum Rücktritt zu zwingen. Ein solches Vorgehen, so ein CIA-Mitarbeiter, sei in den USA nicht ungewöhnlich und ist bereits bei Präsident Clinton erprobt worden. So soll es Bildmaterial geben, auf dem Bush nicht nur bei Orgien mit Cheerleadern seines ehemaligen Baseball-Teams zu sehen ist, sondern auch beim Erbringen von Tieropfern vor Heimspielen der Texas Rangers. Überwachungsfotos, aufgenommen in einer Kleingärtnerei, zeigen Ehefrau Laura beim Diebstahl von Liguster-Samen und beim Erniedrigen einer vietnamesischen Angestellten. Kein Wunder also, dass bei Prozessbeobachtern der Vorwurf ertönt, der Beschuldigte sei Opfer einer Verleumdungskampagne des Weißen Hauses geworden.
ANDRÉ PARIS