: Goodbye, alte Rotzbremse
Der ewige Zonenbarde Wolf Biermann kehrt Deutschland gekränkt den Rücken
„Er hat’s nicht immer leicht gehabt.“ So oder so ähnlich beginnen derzeit viele Sätze von Freunden Wolf Biermanns, wenn sie seine Begeisterung über die Bombardierung Bagdads zu erklären versuchen. „Ich bin von drüben. Ich hab’s ooch nich leicht gehabt“, sagte ja auch Biermann selbst, als ihn die DDR 1976 in die BRD einwies. Anfang Mai wird es wieder einmal soweit sein: Wolf Biermann packt die Koffer. Dieses Mal hat er sich selbst eingewiesen. Nur: Wird man ihn in seiner neuen Heimat auch verstehen?
Wenn er nach acht Stunden Flug amerikanischen Boden betritt, wird er dann letztmalig und gehetzt sagen: „Bin von drüben, hab’s ooch nicht leicht gehabt.“? Oder wird ihm der Sprachkurs, den er seit Jahresbeginn besucht hat, eine englische Version der Selbstmitleid-Sentenz gestatten: „I am from drüben, I have it ooch not light have had.“? Doch was bringt den gebürtigen Hamburger, der 1953 freiwillig DDRler wurde, 50 Jahre später dazu, Deutschland zu verlassen und US-Steuerzahler zu werden?
Biermann hatte in den letzten Monaten oftmals seine Verbundenheit mit den USA betont. Auf der Leipziger Buchmesse wiederholte er dann seine für den Spiegel (9/2003) getätigte Gleichsetzung von Deutschen, die einst „den totalen Krieg wollten“ und den „Hurra-Pazifisten“, die „heute den totalen Frieden fordern“. Biermann ließ wenig Zweifel daran, welcher dieser Gruppen er sich zugehörig fühlt: „Ich bin jedenfalls nicht für den totalen Frieden“, griente er ins Publikum. Doch niemand wollte mit ihm schimpfen. Freunde erklärten, dass Biermann „verwundert und gekränkt“ darüber gewesen sei, dass seine bellizistischen Exkurse kaum Beachtung fanden. Auch die Verkaufszahlen seiner Tonträger und Bücher vermochte er dadurch nicht zu steigern, da sich die von ihm anvisierte Zielgruppe zwischen Horst-Wessel-Lied und Arnulf Baring gut aufgehoben glaubt.
„Ich spüre, wie sehr meinesgleichen mal wieder in den ehrenvollen Status der Minderheit geraten ist“, flehte Biermann im Spiegel um die Anerkennung politischer Exklusivität. Doch: kaum gelesen, schon vergessen. Niemand mochte Biermann den Wunsch erfüllen, ihn abermals zum Repräsentanten einer „ehrenvollen Minderheit“ zu küren. Ein Status, mit dem er sich seit 1976 lukrativ beweihräuchert hat und ohne den Biermann, als erschreckend talentfreie Zone, weder als Musiker, noch als Lyriker je beachtet worden wäre. Dementsprechend gering ist sein Bekanntheitsgrad bei den heute unter 30-Jährigen, an denen sich Opa Biermann auf seine Weise rächte: „Die entpolitisierten Kids der Spaßgesellschaft finden Frieden irgendwie geiler als Krieg.“
Was läge also näher, als zu vermuten, dass Biermann im Kampf um Aufmerksamkeit als letztes Mittel die Ausreisedrohung einsetzt? So wie Kinder das Weglaufen vor den Eltern ankündigen, um dann ängstlich darauf zu harren, dass man sie wortreich davon abhält. Vorstellbar ist es; die Streuung des Ausreisegerüchts mit baldigem Dementi und schließlich die Ausreise. Denn Biermann hat bereits Fakten geschaffen: Eine Mitarbeiterin der amerikanischen Botschaft in Berlin bestätigte, dass „Herr Biermann schon vor Monaten sämtliche Formalitäten für den permanenten Aufenthalt in den USA erfüllt hat“. Ein Freund von Botschafter Daniel Coats soll es gewesen sein, der Biermann zu einem „gediegenen, aber bezahlbaren“ Anwesen im US-Bundesstaat Connecticut verholfen hat. Dass er sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlt, hatte Biermann mehrfach angemerkt. Offiziell leugnet Biermann den feststehenden Umzugstermin so sehr, wie er das Interesse daran genießt. Voll des Mitleids möchte man es ihm gönnen. ANDRÉ PARIS