Frauen in Wissenschaft und Forschung: Ran an die Fleischtöpfe
Frauen in Wissenschaft und Forschung sind immer noch unterrepräsentiert. Obwohl gut die Hälfte der in der Europäischen Union (EU) lebenden Menschen weiblichen Geschlechts sind, lag im Jahre 2001 ihr statistischer Anteil beim wissenschaftlichen Personal in Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Behörden und den Universitäten bei lediglich 27 Prozent. Auch die Fördermaßnahmen zur Gleichstellung der Frauen haben diese Prozentzahl in den letzten Jahren nur sehr wenig angehoben. Die zäh und schwerfällig nach oben verlaufene Kurve des Frauenanteils wird demnächst einen Sprung nach oben machen. Nach den Maßstäben der vergangen Jahren muss dieser Sprung gar als „drastischer Ausschlag“ bezeichnet werden. Um mehr als zwei Prozent wird am 1. Mai diesen Jahren der Frauenanteil nach oben anschwellen. Der Grund: In den dann neuen zehn EU-Mitgliedstaaten sind prozentual weitaus mehr Frauen in wissenschaftlichen Berufen tätig als in der heutigen Staatengemeinschaft. Eine von der EU in Auftrag gegebene und Ende Januar veröffentlichte Studie über Wissenschaftlerinnen in Mittel- und Osteuropa gibt den Frauenanteil dort mit durchschnittlich 38 Prozent an.
Doch die Zahlen trügen. Für Gleichstellungsfreunde besteht kein Grund zum Feiern. EU-Forschungskommissar Philippe Busquin, der schon einige Programme zur Förderung von Wissenschaftlerinnen mit auf den Weg gebracht hat, sprach angesichts des Zahlenbergs gar davon, sie seien „ein wenig Besorgnis erregend“. Denn ein überraschendes Ergebnis ist: Je mehr die Forschung mangels finanzieller Unterstützung darben muss, umso höher ist der Frauenanteil. Anders ausgedrückt: Ist der Fleischtopf gut bestückt, kommen die Männer und drängeln die Wissenschaftlerinnen an die Seite. In Lettland zum Beispiel beträgt der Anteil der Wissenschaftlerinnen gar 52 Prozent. Das ist der höchste Wert überhaupt. In Litauen, der Nummer zwei, beträgt diese Zahl 47 Prozent und in Bulgarien, knapp darunter, 46 Prozent. Das wird nicht so bleiben, meint nicht nur die Prager Soziologieprofessorin Hanna Havelková. Wenn mit dem EU-Beitritt die Fördermittel für Wissenschaft und Forschung höher werden, dann wird sich auch der Anteil der Männer erhöhen.
WOLFGANG LÖHR
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