: Verkitschte Seelen
Die Schweizerin Corinne Hofmann wurde bekannt durch ein Buch, in dem sie ihre Obsession für einen schönen Massai beschrieb. Inzwischen hat sie diese Obsession bewältigt – schreibend. Auch ihr zweites Buch „Zurück aus Afrika“ erobert massenhaft Frauenherzen – vor allem im Osten Deutschlands. Was macht ihren Erfolg aus?
VON EDITH KRESTA
Selbst eine erfahrene PR-Agentin wie Barbara Ziegler ist erstaunt. „Wir wundern uns alle“, sagt sie, „wir verstehen es nicht.“ 160.000 Exemplare wurden von Corinne Hofmanns zweitem Buch „Zurück aus Afrika“ in nur vier Monaten verkauft. Heute steht es auf Platz 12, davor aber „lag es immer zwischen Platz 2 und 8 der Spiegel-Bestsellerliste“, sagt Ziegler, die ihre PR-Agentin ist. Vor allem im Osten Deutschlands habe die Schweizer Autorin einen erstaunlichen Zulauf. Es sind fast ausschließlich Frauen. „850 waren es kürzlich bei ihrer Lesung in Erfurt“, erklärt Ziegler und spekuliert: „Vielleicht weil es den Leuten dort wirtschaftlich schlecht geht, und sie macht einfach Mut.“
„Zurück aus Afrika“ ist die Fortsetzung von Hofmanns Erfolgsgeschichte „Die weisse Massai“. Es handelt nicht mehr von der aufregenden Obsession für den schönen Massai im exotischen Kenia, sondern schildert die glückliche Bewältigung dieser Obsession. Es beschreibt ihren Wiedereinstieg in den Schweizer Alltag. Ein Erlebnisbericht, wie es derzeit viele gibt: gelebtes Leben, authentische Geschichten und Biografien. Echtzeit – ein Genre, wie es auf dem Buchmarkt boomt.
Erster Höhepunkt dieses Trends vor allem in der Frauenliteratur war der Welterfolg der Amerikanerin Betty Mahmoody „Nicht ohne meine Tochter“ (1991). Für den Leser heißt das, er kann dabei sein wie in einer reality show, er kann saugen vom Nektar gelebter Geschichten. Die meisten dieser Bücher sind genauso prickelnd wie die Shows: Es sind Geschichten frei von literarischen Ambitionen, Reflexion und Tiefgang, schlicht dahinerzählt.
Auf ihren Lesungen schlägt Hofmann ungebremste Bewunderung entgegen. Es kommen Frauen von 14 bis 90 Jahren. Manchmal bringen sie auch ihre Männer mit. Ab und zu kommt sogar ein Mann allein. Die Autorin wirkt authentisch und sie genießt die Bewunderung offensichtlich: „Ich gehe sehr, sehr gerne auf Lesungen. Gerade jetzt im Osten. Es ist unglaublich schön, wenn Sie mit Ihrer Geschichte, Ihrem Erlebnis so viel Mut und Hoffnung schenken können“, sagte sie in einem Interview.
Die Frauen sind fasziniert, wie Hofmann sich in „Die weiße Massai“ ganz ihrer Obsession für den „schönen Krieger“ hingibt, der weder lesen noch schreiben kann und unter schwersten Entsagungen in einer Kuhfladenhütte in Kenia lebt. Jetzt sind sie noch stärker fasziniert, wie diese Frau in „Zurück aus Afrika“ als allein erziehende Mutter mit ihrer Tochter (die auch die Tochter des Massai ist) nicht nur wieder Fuß in der Schweiz fasst, sondern auch ihren Weg als Erfolgsautorin geht.
Sie sind begeistert von dem aufregenden Leben einer gelernten Versicherungskauffrau, die als Touristin nach Afrika kam und sich als „weisse Massai“ neu erfand. Das ist der richtige Stoff für verkitschte Seelen, die sich nur allzu gerne von der alles überwindenden Kraft der Gefühle überzeugen lassen und ihren weiblichen Ikonen mitfühlende Bewunderung zollen. Das Leben ist ein Film, und jeder kann darin sein eigener Star sein. Vorausgesetzt, er erlebt etwas.
Hofmanns Geschichte liebt nicht nur das Publikum, so was lieben auch die Talkshows mit ihrem unersättlichen Bedarf an Lebensbeichten und ungebremstem Voyeurismus. Liebe, Krankheit, Verzweiflung, Krise und Wiederauferstehung – zudem ist Hofmanns „schöner Krieger“ die ideale Projektionsfläche für die alte Geschichte vom Prinzen: Sie passt wunderbar in das romantisch-verkitschte Bild der Geschlechterbeziehungen: Sie hatte einen wahren Beschützer, sie hatte „nie Angst mit ihm“, im Gegenteil: „Ich fühlte mich getragen.“
An der Seite des „jungen Gottes“ erlebte sie die große Leidenschaft, für die frau alles stehen und liegen lässt. Ihre Geschichte macht kühnste Frauenträume wahr – denn Frauen machen ihre Grenzerfahrungen auf den Klippen der Seele. Und Corinne Hofmann beschreibt, wie man sich wieder aufrappelt, wenn man von diesen Klippen stürzt, wenn der schöne Krieger zum eifersüchtigen Tyrannen wird.
Zu viel Reflexion kann man ihren Büchern nicht vorwerfen, dafür strotzen sie von einem naiven Blick auf die Ereignisse. Mit zu viel Reflexion hätte sie sicherlich auch diese existenzielle Erfahrung nicht gemacht. Nichts wird hinterfragt, hier triumphiert die Draufgängerin und erobert die Herzen. Demnächst auch im Kino: Hofmann hat gerade das Skript zum Film überarbeitet.
Die attraktive Corinne Hofmann lebt übrigens inzwischen mit Kind und neuem Partner im Tessin. „Das war einmal etwas anderes“, sagt Hofmann heute, „etwas, was jede gefühlsmäßige Dimension sprengte.“ Dafür ist sie dankbar: „Es hat mich gelassener gemacht, gestärkt.“ Um Erfahrungen reicher und viel Geld und den Status einer Bestsellerautorin. Doch nicht um des Erfolges willen habe sie ihre Fortsetzungsgeschichte „Zurück aus Afrika“ geschrieben. „Nein, es war für mich ganz klar, dass ich eine Antwort geben musste auf die vielen Zuschriften, die mich erreichten und die wissen wollten, wie es weiterging.“
Es ging gut weiter. Ihr neues Buch ist die populärliterarische Umsetzung des Positivdenkens, das Manager zu strahlenden Erfolgskandidaten machen soll und jedermann sein Glück selber schmieden lässt. Corinne Hofmann ist die geglückte Inkarnation der Ich-AG, die nicht nur ihre Geschäfte, sondern auch ihr Privatleben glücklich managt. Sie verkörpert die gelungene Selbstverwirklichung.
– „Wagen Sie etwas Neues.“
– „Lassen Sie sich ein.“
– „Seien Sie optimistisch.“
– „Sie müssen raus aus der Sicherheitszone, dorthin, wo das wilde Leben ist.“
Die Glaubenssätze der Ich-Optimierungs-Gurus hat Corinne Hofmann mit ihrer Lebensgeschichte gelebt und im Courths-Mahler-Stil unterhaltsam aufbereitet. Es ist Bekenntnis- und Erweckungsliteratur in einem. Und Hofmann steht als Person dafür, strahlend, selbstbewusst, stark. Eine Heldin. Frau glaubt an sie. Kein Wunder, dass sie besonders in den neuen Bundesländern ankommt, wo diese marktschreierische Selbstverwirklichung erst gelernt werden will.
Falls irgendjemand von ihrer Geschichte nicht so begeistert sein sollte, ist er möglicherweise ein Pessimist. Aber: „Die wenigen Pessimisten, die es immer gibt, sind mir egal“, sagt Corinne Hofmann. „Die sollen alle kommen, wenn ich Lesung habe, dann werden sie sehen, wie viel Freude ich in zwei, drei Stunden verbreiten kann.“
Corinne Hofmann: „Zurück aus Afrika“. A 1 Verlag, 2003, 224 Seiten, 18,90 €ĽCorinne Hofmann: „Die weisse Massai“. Taschenbuch, Droemer Knaur, 2000, 426 Seiten, 9,20 €