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Archiv-Artikel

BAYERN: CHECKLISTE FÜR POTENZIELLE SCHUL-AMOKLÄUFER IST UNSINN Im Geist der Repression

Das Federal Bureau of Investigation warnt ausdrücklich: Benutzen Sie diese Hinweise keinesfalls als Kriterienkatalog, um potenzielle Schul-Amokläufer zu identifizieren! Es wäre zu kurz gegriffen oder gar gefährlich, anhand von Persönlichkeitsmustern über das Verhalten von Schülern zu spekulieren. Das FBI hielt es für nötig, diesen Beipackzettel einer Expertise anzufügen, die sie nach dem Schulmassaker in einer Highschool in Littleton über tödliche Gewalttaten anfertigen ließ.

Die selbst ernannten Amok-Detektive aus Oberbayern machten sich solche Gedanken nicht. Sie verbreiteten eine Amokläufer-Checkliste direkt über den Schulanzeiger – ohne einen Hinweis, dass es sich tatsächlich um ein Psychopathie-Raster für die psychologische Praxis handelt. Man glaubt es kaum, wie schön da längst überholte Seppl-Klischees wieder erweckt werden: Die Bayern sind tumb, können kein Englisch, sind aber blind für Law and Order zu haben. Bayerische Schul- und Polizeibeamte sind offenbar noch dümmer, als wir bayerischen Berliner anzunehmen gewagt hätten.

In den USA gibt es Checklisten für jeden Unsinn. Kann ich gut küssen? Was sind die häufigsten Fragen vor einem Selbstmord? Solcherlei kindisch-gefährliche Ankreuztests vertreiben US-Magazine für Teenies. Und die weißblauen Schulplaner entblöden sich nicht, dem einen quasiamtlichen Katalog beizugeben. Das schlimme ist, dass die „Wie erkenne ich einen Amokläufer“-Liste nur zu einem gut ist: um Schüler zu denunzieren, die ganz sicher keine Kandidaten für Amokläufe sind. Es gibt, sehr vorsichtig zu behandelnde, Tätermuster – die ganz anders aussehen als das bayerische: Bisherige Schulattentäter waren eher intelligente, aber gedemütigte Außenseiter, denen Anerkennung und Erfolg verwehrt wurden, als jene, die nun gebrandmarkt wurden: die Playboys, Angeber oder Brutalos vom Dienst.

Bayerns Kultusministerin dementiert heftig, dass die Amokliste sinnvoll sei oder gar aufs ganze Land ausgeweitet werden solle. Das ist richtig – und wohlfeil. Denn der Geist, den das Amtsblättchen der Schulräte verströmt, ist der gleiche, den der Herr Ministerpräsident von ganz oben in seinem Land verbreitet. Schule, das ist für Edmund Stoiber ein von zarter Kindheit an planbarer Zuchtprozess auf Erfolg und Leistung. Wer davon abweicht, wird in Bayern schon jetzt markiert und in spezielle „Kriminellen-Klassen“ für verhaltensauffällige Schüler abgesondert. Oder, wie Stoiber es will, „von der Schulpflicht befreit“. Das zeigt deutlich: Nicht der Oberbayerische Schulanzeiger bedarf also der Revision, die ganze bayerische Schulpolitik muss endlich von ihrem repressiven Charakter befreit werden. CHRISTIAN FÜLLER