: Nichts für Vollidioten
Medienmädchen I: Gabriele Fischer ist Chefredakteurin von „Brand Eins“ und macht seit knapp vier Jahren eine Art Fanzine für die Wirtschaft
von JUTTA HEESS
Mit einem verrückten Einfall allein kann man in der Regel keinen Blumentopf gewinnen. Höchstens Kopfschütteln. Und spätestens, wenn eine Hand voll Idealisten ausgerechnet ein Wirtschaftsmagazin – noch dazu ein ungewöhnliches – auf die Beine stellen will, dann kommt die Branche aus dem Schütteln gar nicht mehr raus.
„Viele haben gedacht, dass es Brand Eins im ersten Jahr putzt.“ Gabriele Fischer sagt das nicht triumphierend. Im Gegenteil, sie selbst an anderer Stelle hätte einem so ambitionierten Projekt aus einem so kleinen Verlag auch keine Chance gegeben. Und schnell wird klar, was die Chefredakteurin antreibt: nicht der Wunsch, es den anderen zu zeigen, nicht der Ehrgeiz, mit Preisen überhäuft zu werden. Sondern: „Wir wollen ganz einfach das beste Wirtschaftsmagazin machen.“
Über 24.000 feste Leser haben Fischer und ihre 20 Mitarbeiter schon restlos davon überzeugt. Zu den Abonnenten kommen in der Regel etwa 65.000 Ausgaben aus Einzelverkauf und Lesezirkeln. Mit diesen Zahlen geht Brand Eins in sein viertes Lebensjahr, und Gabriele Fischer ist zuversichtlich. Die Entwicklung im Lesermarkt sei fabelhaft, sagt sie im Konferenzraum der Brand-Eins-Redaktion in der Hamburger Innenstadt und lässt ihren Ring durch die Finger huschen. Der Anzeigenmarkt hingegen stagniere, aber damit hätten ja alle zu kämpfen. Energisch greift sie nach der Kaffeetasse. Und genauso lebhaft, wie sie mit ihren Händen auf dem Tisch rumwuselt, beschreibt sie, was Brand Eins eigentlich will.
„Wir werfen einen anderen Blick auf die Wirtschaft“, erklärt sie. „Interessant sind doch die Zusammenhänge und Hintergründe, die Wechselwirkung mit Politik und Kultur, Wirtschaft basiert nicht allein auf Zahlen.“ In der Tat: Nach Tabellen mit Aktienkursen kann man in Brand Eins lange suchen, nach Shareholder-Value und Cashflow ebenso. Stattdessen kümmern sich die Macher schon mal um Modisches: Im Februarheft fand man eine Geschichte über zwei junge Männer, die Sporttrikots herstellen, „in denen man nicht aussieht wie ein Vollidiot“. In der aktuellen Ausgabe steht das Porträt eines Sinologen, der eine alte chinesische Schriftensammlung über Tricks, Betrug und Gaunerei vorstellt, neben einem Bericht über eine amerikanische Firma, die in Dresden Blinksignale herstellt.
Alles ist möglich also? „Das Feld der Geschichten für Brand Eins ist riesengroß“, erklärt Fischer. „Wirtschaft ist im Grunde der Filter.“ Und diese Vielfalt hat ihre Fans. Vor allem junge. Die meisten Leser sind unter 40, etwa 28 Prozent geben an, das Heft komplett zu lesen. Solche Quoten haben sonst höchstens Fußball-Fanzines. Zehnmal im Jahr erscheint das Magazin, mit jeweils einem Schwerpunktthema und einem Design, das innerhalb von drei Jahren bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Ein sachliches Layout, viel Weißraum und Fotos, die schlicht, aber treffend die Protagonisten ins Bild setzen. Und auch die Titel der Rubriken nennen die Dinge klar beim Namen: „Was Wirtschaft treibt“, „Was Unternehmen nützt“, „Was Menschen bewegt“.
Kein Wunder, denn auch Gabriele Fischer redet nicht um den heißen Brei herum. „Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, dass das genau das Richtige ist.“ Sie fügt hinzu: „100-prozentig.“ Der Weg dorthin war allerdings beschwerlich – zumindest dem Papier nach: Als stellvertretende Chefredakteurin des im Spiegel-Verlag erscheinenden Manager Magazins entwickelte sie das Magazin Econy, das „Wirtschaft mit Kultur und Gesellschaft kreuzte“. Nach zwei Ausgaben stoppte der Verlag 1998 das Projekt, Gabriele Fischer verpfändete ihre Eigentumswohnung und machte auf eigene Faust weiter, bis sie von einem kleinen Verlag übernommen wurde. Mit diesem haben sich die Econy-Leute schnell überworfen und wagten im September 1999 einen Neustart. Mit Brand Eins. Finanziert und gefördert von Privataktionären.
Diese Turbulenzen bringen Gabriele Fischer rückblickend nicht mehr aus der Ruhe. „Alles im grünen Bereich“, meint sie. „Wenn du etwas wirklich willst, gibt es immer eine Chance.“ Vielleicht auch, wenn man sowieso nichts mehr zu verlieren hat? Zum ersten Mal an diesem Vormittag zögert Gabriele Fischer. „Ich habe Brand Eins gemacht, weil ich viel erreicht und nichts mehr zu beweisen hatte.“ Aber stärker angetrieben, ihr Ziel zu verwirklichen, hat sie doch etwas anderes – nämlich ihre bereits vollzogene Ablösung vom herkömmlichen Wirtschaftsjournalismus: „Ich konnte einfach nicht mehr dorthin zurück.“