: Yoga-Trends in der Mitte Berlins
Vor zehn Jahren gab es in Mitte ein einziges Yogazentrum. Heute gibt es in Mitte und Prenzlauer Berg mindestens zehn Yogaschulen. Die meisten haben erst in den letzten Jahren eröffnet. Konkurrenz untereinander scheint es nicht zu geben
VON JULIA JOHANNSEN
„Wenn ich Single wäre, würde ich da sofort hingehen“, sagt ein Freund. Wir sitzen im Café am Weinbergspark und haben einen Flyer entdeckt, auf dem steht: Sonntagabend, Yoga & Abendessen, 17 bis 21 Uhr. Ort: Chausseestraße, Mitte. Die Yogalehrerin: eine gelernte Designerin, die die Schönheit und Anmut des Yoga vermitteln will. So steht es da.
Die Yogaschule in der Chausseestraße nennt sich „Raum für Yoga“. Silke de Sousa, die Designerin, und Roland Bauer, Gründer des Zentrums, empfangen mich. Sie schicken mich in die Umkleide, vier Quadratmeter Platz, Frauen können wählen: „Nur für Frauen“ oder „Gemischt“. Ich bevorzuge „Nur für Frauen“. Die anderen Teilnehmer sitzen schon im Wohnzimmer und trinken Tee.
Silke war früher selbst eine Yogaschülerin von Roland. Seit über einem Jahr ist sie seine Partnerin. Den „Raum für Yoga“ haben beide zu einem Aschram gemacht: Sie wohnen und arbeiten in dem Yogazentrum, das es seit 2000 gibt. Rund 100 Schüler kommen hierher. Altersdurchschnitt: um die dreißig. Viele Singles, viele Frauen. „Bei uns haben sich schon einige Paare kennen gelernt“, sagt Silke. Beim „Yoga & Abendessen“ sind die Männer in der Minderheit. Silke unterrichtet Hatha Yoga, sie singt Mantren, während sie die Übungen vormacht. Ist das die Schönheit und Anmut des Yoga? Nach dem Yoga, auf dem Boden sitzend und mit einem Teller indischem Essen in der Hand, frage ich einen Mann, ob er hier ist, um eine Frau kennen zu lernen. „Das wäre armselig, wenn ein Mann nur deswegen kommt und nicht wegen Yoga“, sagt er aufgebracht.
Reines Yoga, ohne Teetrinken und Abendessen, wird in „Yoga Mitte“ praktiziert. Die Iyengar Yogaschule am Rosenthaler Platz bietet wöchentlich 15 Kurse an. Im Vergleich zu anderen Yogaschulen praktizieren hier erstaunlich viele Männer Yoga. Das mag daran liegen, dass Iyengar Yoga ein sehr körperliches und strenges Yoga ist. Keine spirituellen Gesänge, keine Meditation. „Das perfekte Yoga für Perfektionisten“, meint der Leiter, Hermann Traitteur. Yoga Mitte hat mehr als jede andere Yogaschule den wachsenden Yoga-Trend miterlebt: 1994 war sie die erste Yogaschule, die es überhaupt in Mitte und Prenzlauer Berg gab. Anfangs kamen nur eine Hand voll Schüler, seit 2000 ist ein stetiger Aufwärtstrend zu verzeichnen. „Wir schwimmen mit dem Trend“, sagt Hermann, „wenn der Trend vorbei ist, überlebt das, was gefragt wird: Das ist Iyengar Yoga“, meint der Yogalehrer und Arzt. Immer mehr Iyengar-Yogaschüler wollen selbst Yogalehrer werden. Seit kurzem gibt es die drei Jahre dauernde Iyengar-Yogalehrer-Ausbildung auch in Deutschland. Diesen Trend bestätigt Roland: „Einige unserer Schüler machen bereits selbst die Yogalehrer-Ausbildung.“ Auch der BDY, Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland, der 19.000 Mitglieder zählt, konnte in den letzten Jahren einen Zuwachs verzeichnen.
Bei „east side yoga“ in Prenzlauer Berg wird Viniyoga praktiziert. Viniyoga ist so ziemlich das Gegenteil von Iyengar Yoga. Fühlen, Atmen und Töne von sich geben ist wichtiger als die korrekte Ausführung der Körperübungen. Nach dem eifrigen Spüren des eigenen Körpers gibt es Tee und Gespräche. Susanne Wende hat die Yogaschule in der Schwedter Straße 2001 gegründet. „Es kommen eher Leute mit Hochschulabschluss, die sich für den philosophischen Hintergrund des Yoga interessieren“, sagt sie. Die Lehrerin macht die Yoga-Übungen nicht selbst vor. Kann sie es nicht? Ihre Kurse sind trotzdem so gut besucht, dass Neueinsteiger sich auf eine Warteliste setzen lassen müssen. Susanne hat keine Angst vor Konkurrenz: „Ich finde es wunderbar, dass es so viele unterschiedliche Yogarichtungen gibt, denn jeder braucht was anderes.“
Konkurrenz scheint kein Thema zu sein. „Die anderen Yogaschulen sind keine Konkurrenz für uns, weil sie ganz andere Programme anbieten“, sagt Hermann Traitteur. Mittlerweile haben auch die Fitnessstudios Yogakurse in ihren Programmen, doch selbst das scheint die Yogazentren nicht zu berühren. „Der Markt in Mitte und Prenzlauer Berg ist noch längst nicht bedient“, meint Roland Bauer. Vielleicht will auch niemand zugeben, dass es Konkurrenz gibt. Man stellt fest, dass keine Yogaschule so genau weiß, was die andere eine Straße weiter eigentlich macht. Susanne Wende beklagt den mangelnden Austausch: „Niemand scheint Interesse daran zu haben.“
Die Yogazentren erkennen sich gegenseitig an ihren Eingangsschildern. Sie erfahren höchstens von ihren eigenen Schülern, was in den anderen Yogaschulen passiert. Vor dem Yoga in der Invalidenstraße 145 warnt mich eine Teilnehmerin: Am Haus hängt ein großes Schild „Yoga“, obwohl es in diesem Zentrum vor allem um die Lehren von Guru Paramadvaiti geht. Auf der Homepage der „Inbound School of Yoga“ ist zu lesen: „Neben unseren ganz natürlichen Pflichten wie Beruf, Haushalt und Kindererziehung widmen wir uns von ganzem Herzen der Aufarbeitung und Verteilung der philosophischen Vorträge unseres geistigen Meisters Swami B. A. Paramadvaiti.“ Ich erkundige mich nach den Yogakursen und erfahre, dass die Lehrerin eine Anhängerin des Meisters ist. „Sie sagt es aber nicht vor ihren Yogaschülern“, erfahre ich von einem Mitarbeiter des Zentrums. Ich erspare mir den Besuch. Lieber gehe ich am Sonntagabend zum „Yoga & Abendessen“ und gucke mir die Männer an.
Yoga Mitte, Torstr. 126, Tel. 28 59 97 89; Raum für Yoga. Chausseestr. 17, 10115 Berlin, Telefon 28 39 16 33; east side yoga, Schwedter Str. 48, 10435 Berlin, Telefon 9 25 79 40