Abgehört und abgewiesen

Die grüne Europapolitikerin Helga Trüpel findet bei ihrem derzeitigen Chinabesuch eine deutlich schlechtere Menschenrechtslage vor. UN-Mann Willi Lemke hatte die Entwicklung zuletzt noch gelobt

von Jan Zier

Die Menschenrechtssituation in China hat sich – „trotz großer Versprechungen“ vor den Olympischen Spielen – „nicht verbessert“. Diese Beobachtung macht dieser Tage die Bremer Europaabgeordnete Helga Trüpel. Die Grünen-Politikerin hält sich derzeit mit einer 22-köpfigen EU-Delegation in China auf.

Am Dienstag ist sie in Peking von einem halben Dutzend chinesischer Sicherheitskräfte am Besuch der Bürgerrechtlerin Zeng Jinyan gehindert worden. Trüpel wollte in einem Vorort die Frau des inhaftierten Dissidenten und Sacharow-Preisträgers Hu Jia besuchen, nebst deren kleiner Tochter. Dazu kam es nicht: Trüpel wurde in Begleitung von Journalisten, „rüde zur Seite“ gestoßen, sagt sie.

Zeng nutzt Trüpels Webblog, um auf die Menschenrechtsverstöße aufmerksam zu machen. Sie lebt unter strenger Bewachung der chinesischen Staatssicherheit. Agenten folgen ihr regelmäßig, sobald sie das Haus verlässt. Vor zwei Jahren, sagt Trüpel, als sie die 25-Jährige zuletzt traf, konnte diese sich noch freier bewegen. Die einjährige Tochter gilt mitunter als „jüngste politische Gefangene der Welt“. Sie sollte von Trüpel einen roten Papagei geschenkt bekommen.

Vater Hu, ein gläubiger Buddhist, hatte sich in der Vergangenheit unter anderem für Aids-Kranke sowie für politische Häftlinge eingesetzt. Das Europäische Parlament hat ihn mit dem renommierten Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit ausgezeichnet. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis, den schon Nelson Mandela bekam, soll am 17. Dezember verliehen werden. Ob ein Familienmitglied dann nach Straßburg reisen kann, ist indes unklar. Im April wurde Hu zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. China wirft ihm vor, er habe mit seiner Kritik „umstürzlerische Absichten“ verfolgt. Die chinesische Regierung hatte versucht, die Preisvergabe zu verhindern und sprach von einer „groben Einmischung in innere Angelegenheiten“. Die Verleihung sei eine „provokative und nicht zu rechtfertigende Entscheidung gewesen“, hieß es von Seiten chinesischer Politiker.

Trüpel zufolge sind die Beziehungen zwischen der EU und China wegen der Menschenrechtsfrage „gespannter als je zuvor“. Die Situation habe sich „unheimlich verschärft“, wichtige Grundrechte würden „weiterhin missachtet“, so Trüpel. China sei zudem „ganz schlecht auf die EU zu sprechen“, sagte Trüpel gestern der taz. Selbst die Annahme von Listen mit Namen von AktivistInnen, für die sich die EU einsetzt, werde mittlerweile offiziell verweigert – anders als früher. Sie selbst sei in den letzten Tagen wiederholt von der chinesischen Staatssicherheit abgehört, fotografiert oder auch abgefangen worden. „Hier sind überall Stasi-Leute“, sagte Trüpel während des Telefongesprächs aus ihrem Schanghaier Hotel. Von einer Lockerung der Bedingungen könne keine Rede sein.

Ihre Interpretation widerspricht jener des UN-Sonderberaters für Sport und Ex-Senators Willi Lemke (SPD). Der hatte nach den Olympischen Spielen gesagt: „Ich sehe die Entwicklung absolut positiv, und sie wird auch nicht mehr gestoppt werden können.“ Er habe mit chinesischen StudentInnen diskutiert, die ihm „frei ihre Meinung gesagt“ hätten – „auch zu schwierigen politischen Fragen“. Jeder von denen habe Internetzugang und Auslandskontakte, so Lemke in einem Zeitungsinterview.