: Schlaue Prinzen aus der Provinz
Sie heißen einfach Trend und retten den Punk vor der Unmündigkeit – heute erscheint ihre neue Platte „Vier“
VON RENÉ HAMANN
„Ich bin der Prinz von Homburg.“ Ein guter Eröffnungssatz für Kommunikation jedwelcher Art, nach dem man allerdings schnell ins Schwitzen kommt: Der Prinz von Homburg? Was war das noch mal? Richtig, Kleist, „Der zerbrochne Krug“, Schullektüre.
Neuerdings ist das Eingangszitat aber auch ein Song der Gruppe Trend. Trend haben die gleichnamige, tolle Single bereits im vergangenen Jahr veröffentlicht, auf ihrer heute erscheinenden, dritten Platte „Vier“ ist das Stück das beste, aber nicht das einzige gute Stück. Trend kommen aus der Provinz, genauer aus Landau in der Pfalz, mittlerweile hat sich das Quartett in ganz Deutschland verteilt, Gitarrist Peter (auf Nachnamen wird konsequent verzichtet) wohnt seit einiger Zeit in Berlin, wo er sich nach einer Phase als „Privatier“ als Museumsmitarbeiter verdingt und Mitbetreiber eines Tonstudios in Kreuzberg ist. Trend machen Punkrock, mit deutschen Texten, obwohl sie, wie Peter beim Kaffee verrät, mit Punk im richtigen Sinne nicht viel zu tun haben, schon gar nicht mit dem Straßen- und Hundepunk.
Punk hat es ja schwer genug dieser Tage. Die provinzgestärkte Gruppe Trend – „In der Provinz ist der Anreiz, kreativ zu sein, viel größer als in der Stadt. Auf dem Land weiß man, wogegen man sein kann und was zu tun ist, in der Stadt ist das Angebot viel größer, da verliert man sich schneller“, so Peter – könnte dieser leidenden Subkultur Auswege bieten, Auswege aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit. „Vier“ nämlich besticht durch eine satte Produktion, alles klingt, trotz Low-Budget-Produktion, im besten Sinne fett: Die Gitarren irren nicht herum, sondern gehen straight. Die Stücke sind rüde und schräg genug, um eben noch Punk zu sein. Sie haben Popappeal, wie „Der Prinz von Homburg“, „Freundliches Feuer“ oder „Problembär“ zeigen, und sind nicht weniger aggressiv, als es das vermeintliche Genre oder auch die eigene Vergangenheit erlaubt. Denn Trend kommen aus Punk- und Hardcorestrukturen, haben ihre ersten Singles auf kleinen Punklabeln aus dem Ruhrgebiet veröffentlicht, kümmern sich immer noch um fast alles selbst. Und erinnern nicht von ungefähr an gute alte Zeiten aus Düsseldorf, sprich Fehlfarben, KFC oder Mittagspause.
Aber bleiben eben nicht stumpf. Denn was kann es Stumpferes geben als die Konservenmusik in einer dieser Punkkaschemmen, wie es sie von Kreuzberg bis Friedrichshain immer noch gibt: Meist klingt ein Stück wie das andere, meist gehen Tempo und Brachialität deutlich vor Gewitztheit und Raffinesse. Trend klingen gewitzt und nicht angepasst, und das, obwohl man ihnen mit dem Atem alter Tage durchaus Ausverkauf vorwerfen könnte. Denn Trend sind über das Label „Same Same But Different“ inzwischen bei Warner gelandet, einem Major.
Ausverkauf von was denn, fragt dann auch Peter. Vielleicht erleichtert der neue Betrieb einiges, in die Arbeit gequatscht wurde ihnen jedenfalls nicht, die relative Lässigkeit im Harten ist eher dem schleichenden Altersprozess zuzurechnen als irgendeiner Anpassung. Was auch heißt, dass sich die vier nach wie vor anderweitig über Wasser halten müssen; das Musikmachen und das Touren holen höchstens die Unkosten wieder rein. Alter oder Realitätskonzept, egal, was dahinter steht: In der Praxis sieht das so aus, dass um jeden Tourtermin gekämpft werden muss, nicht nur wegen Unlust, sondern auch wegen der anderen Verpflichtungen, beim Museum, in der Grafikagentur, bei der Zeitung in der Provinz, wo auch immer.
Kommen wir zum zweiten relevanten Punkt der Platte: den Texten. Texte und Musik holen Trend aus der Reproduktionsfalle, aus dem Nimbus, immer dasselbe machen zu müssen. „Die Aushebung von tiefen Gräben / Stifter der Identitäten / entfernen jedem Fisch die Gräten“ oder: „Wir sitzen hier am freundlichen Feuer/ und haben unsere Unschuld beteuert“ oder: „Ich bin ein Übernahmekandidat“ (gesungen von einem Chor aus Freundinnen). Das ist Sloganism, der Eindeutigkeit sowohl vermeiden wie vermitteln will. Lustige „catchy phrases“, die sich schön im Ohr breitmachen. Schlauheit vor Stumpfsinn, ein gutes Konzept. Hinter den Texten steckt Fezer, der ansonsten Sportjournalist ist, was in diesem Kontext nicht weniger Punk ist als alles andere, aber vergessen wir endlich mal das Wort mit P. Trend sind da. Ihre Platte heißt „Vier“. Zuhören lohnt sich.
Trend: „Vier“ (Same Same But Different/Warner) erscheint heute