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Archiv-Artikel

standbild Wahnsinnsbücher

„Lesen!“ Di., ZDF, 22.15 Uhr

Mutig ist Elke Heidenreich, keine Frage. Weil sie mit „Lesen!“ überhaupt eine Literatursendung moderiert – man weiß ja um die Schwierigkeit der Literaturvermittlung im Fernsehen. Weil sie das im ZDF in der Nachfolge des „Literarischen Quartetts“ und Marcel Reich-Ranickis macht – eine schwere Bürde in Bezug auf Erfolg und zumindest der Performance von Literatur. Und weil sie sich Harald Schmidt als ersten Studiogast eingeladen hat – der hätte eine solche Sendung problemlos allein gestalten können. Schmidt aber hielt sich bei der Premiere kollegial zurück und stellte relativ stringent sein aktuelles Lieblingsbuch vor: Nick McDonells „Zwölf“. Hinreißen ließ er sich nur zu dem Bekenntnis, keine Bücher zu mögen, die in der Ukraine spielen wie Safran Foers Roman „Alles ist erleuchtet“, und zu einer Reich-Ranicki-Imitation bei seinem Abgang.

Heidenreichs Mut und Schmidts Kurzauftritt aber waren das einzig Bemerkenswerte an dieser Sendung, die alle Wünsche offen ließ. Heidenreich stellte ein Buch der irischen Autorin Nuala O’Faolain vor, dann noch eins, dann folgte ein Beitrag über Tim Parks. Dann erzählte Heidenreich etwas über Parks neuen Roman „Doppelleben“, dann kamen Schmidt und McDonells Roman, dann Eric-Emmanuel Schmitts Erzählung „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“, dann noch ein Hörbuch, und vorgelesen wurde aus allen Büchern auch – viel Stoff für 30 Minuten, der naturgemäß schnell abgearbeitet werden musste und selbst die gelernte Schnellrednerin Heidenreich außer Atem kommen ließ.

Da versteht sich von selbst, dass wenig hängen blieb und am Ende alle Bücher große waren: Bücher über Liebe und Leidenschaft, über Kunst und Tod, über Verantwortung und Schönheit. Tolle Bücher, empfehlenswerte Bücher, „der Wahnsinn“ (Schmidt über „Zwölf“). Zudem verbietet allein der Imperativ „Lesen!“ auch nur die leiseste Kritik. Heidenreich will zum Lesen animieren, nicht sich selbst darstellen oder gar über Literatur reden. Für „Lese-Tipps“ würde aber auch eine Liste reichen, die man in drei Minuten vorstellen könnte: Schöne Bücher, ein Muss, Unterschrift Heidenreich. Mal sehen, ob Elke Heidenreich den Mut hat, das „Lesen!“- Konzept umzuarbeiten.

GERRIT BARTELS