: Sonne im Aufwind
Solarthermische Kraftwerke stehen vor einer stürmischen Entwicklung. Auslöser ist ein neues Förderprogramm in Spanien. Viele alte Pläne werden jetzt wieder aus den Schubladen gezogen
Die erneuerbaren Energien stehen vor ihrem zweiten Technologiesprung – er wird in Spanien stattfinden und betrifft den Solarstrom. Wie bereits beim ersten Ökostrom-Boom, als die deutschen Einspeisegesetze die weltweite Nutzung von Windkraft, Biomasse und Photovoltaik professionalisierten, wird auch jetzt nationales Recht zum Auslöser.
In Spanien erhalten Solarkraftwerke seit August letzten Jahres per Gesetz einen Aufschlag von 12,02 Cent je Kilowattstunde Strom zusätzlich zum normalen Marktpreis. Plötzlich ist Spanien so zum Eldorado für Solaringenieure aus aller Welt geworden: Sie projektieren Kraftwerke in ganz neuen Dimensionen, greifen auf Bauformen zurück, die lange als kaum realisierbar galten. „Wir erschließen mit solarthermischen Kraftwerken einen neuen Bereich der erneuerbaren Energien, durch zentrale wie durch dezentrale Technologien“, begeistert sich Wolfhart Dürrschmidt vom Bundesumweltministerium (BMU).
Die nutzbaren Technologien sind vielfältig. Am ehesten noch mit der dezentralen Struktur der heutigen Solarwirtschaft vereinbar ist die Solar-Dish-Technik. Parabolspiegel mit etwa acht Meter Durchmesser fokussieren die direkte Sonnenstrahlung, erzeugen so eine Temperatur von 650 Grad und betreiben damit einen Stirling-Motor mit Generator, der allein Wärme als Antriebsenergie benötigt. Damit lassen sich 20 Prozent der direkten Solarstrahlung in Strom umwandeln – das schafft bisher keine Solarzelle aus der Serienfertigung. Vor allen Dingen nicht zu diesem Preis: „Die Kilowattstunde kostet derzeit etwa 28 Cent“, rechnet Doerte Laing vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vor. Und darin ist noch Spielraum: „Bei hohen Produktionsraten sind 7 bis 8 Cent je Kilowattstunde denkbar.“ Typische Leistungswerte liegen bei 5 bis 25 Kilowatt pro Anlage.
Im Vergleich dazu sind andere Verfahren Großtechnologie – etwa das Parabolrinnen-Kraftwerk. Dieses basiert auf einem rinnenförmigen Spiegel, der die Sonnenstrahlung auf eine Linie fokussiert. Auf dieser Achse verläuft eine Leitung mit einem Wärmeträgermedium, das die Energie aufnimmt, abführt, und schließlich eine Turbine antreibt. Auch dies ist ein schon lange bekanntes Prinzip: Bereits 1907 in Stuttgart patentiert, 1912 in Kairo erstmals realisiert, geriet es jedoch in Vergessenheit, weil man in der Zeit des billigen Öls kein Interesse mehr hatte an innovativer Energietechnik. Erst mit der Ölkrise in den frühen Siebzigerjahren griff man das Prinzip wieder auf. Heute sind in Kalifornien mehrere hundert Megawatt dieser Anlagen in Einheiten biszu 80 Megawatt installiert.
Ähnlich großtechnisch sollen auch Solarturmsysteme realisiert werden. Dabei lenken nachgeführte Einzelspiegel am Boden – so genannte Heliostate – die Sonnenstrahlung auf einen zentralen Wärmetauscher, der sich auf dem Turm befindet. So wird Hochtemperaturwärme von bis zu 1.100 Grad gewonnen. Zehn Projekte, überwiegend in den USA und in Spanien, wurden in der Vergangenheit errichtet, doch keines davon ist mehr in Betrieb. Jetzt steht auch dieser Technik die Renaissance bevor – und natürlich wird auch sie in Spanien erfolgen. „Das erste kommerzielle Demoprojekt ist in Vorbereitung“, sagt Robert Pitz-Paal vom DLR.
Und es gibt noch ein weiteres Verfahren. Die Pläne stammen vom Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner, und sie muten gigantomanisch an: Millionen Quadratmeter von Glasdächern wollen die Techniker künftig in der Landschaft errichten. Einem Treibhaus gleich soll darunter Warmluft erzeugt werden, die anschließend über einen bis zu 1.000 Meter hohen Kamin entweicht und auf diesem Weg Megawattturbinen antreibt.
Doch die Dimensionen sprengen alle Vorstellungen: „Der Turm sollte zwischen 900 und 1.100 Meter hoch sein, das ist das wirtschaftliche Optimum“, sagt Ingenieur Jörg Schlaich. Der Turm solle einen Durchmesser von 130 Metern haben, das Treibhaus am Fuße gar „mehrere Kilometer Durchmesser“. Ein Projekt für Australien werde gerade konzipiert, sagt der Ingenieur – mit einem 1.000 Meter hohen Turm und einem Glassockel von 7.000 Meter Durchmesser. Der entstehende Luftzug werde 32 Turbinen mit jeweils 6,25 Megawatt Leistung betreiben, rechnet Schlaich vor. So komme man auf Stromgestehungskosten von 7,2 Eurocent je Kilowattstunde bei einer Abschreibungsdauer der Anlage von 40 Jahren.
Ein wenig klingen Schlaichs Ideen immer nach Science-Fiction: Die riesigen Mengen an Baustoffen könnten in einer angrenzenden Glasfabrik und in einem eigenen Zementwerk vor Ort erzeugt werden, meint er – räumt dann allerdings selbst ein, dass die Idee nur dort realisiert werden kann, wo auch Flächen ohne Ende verfügbar sind. „Wenn der Landverbrauch aber eine Rolle spielt, sind wir weg vom Fenster“, sagt er. Effizient im physikalischen Sinne ist es nicht: „Der Wirkungsgrad liegt irgendwo zwischen 1 und 2 Prozent.“
BERNWARD JANZING
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