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Archiv-Artikel

Es ist schwer, daran etwas zu ändern

Juanes fusioniert den Rock mit den Klängen Kolumbiens, die Poesie mit der sozialen Realität Lateinamerikas. „Ich habe immer über die Sachen gesungen, die zum Alltag in unserem Land gehören“, sagt er

Der 31-Jährige kolumbianische Superstar, der bereits neun Latin-Grammys gewann, stammt aus Medellín und hat 1999 seine Rockband Ekhymosis verlassen, um solo weiter zu machen. Nun ist er erstmals in Deutschland auf Tour und spielt heute in der Großen Freiheit.

taz hamburg: Gabriel García Márquez hat Shakira einmal als die Botschafterin Kolumbiens bezeichnet. Sehen Sie sich auch als Botschafter Ihres Landes?

Juanes: Kolumbien hat nicht die eine Botschafterin oder den einen Botschafter – Kolumbien hat viele, sehr viele. Einige sind bekannter, andere weniger. Aber alle leisten ihren Beitrag.

Der Ihre ist allerdings nicht unwesentlich. Neun Grammys haben Sie in den letzten Jahren gewonnen und den Respekt vieler Kollegen, die nicht nur Ihre Musik, sondern auch Ihre Texte loben. Woher kommt die Inspiration für Ihre Texte?

Ich habe immer über die Sachen gesungen, die passieren, die zum Alltag in unserem Land gehören. Über die Straße, Liebe, Liebeskummer, den Krieg, den Frieden – allerdings in einer sehr persönlichen Art und Weise.

In „La Historia de Juan“ singen Sie über das bittere Leben von Straßenkindern. Was hat Sie dazu inspiriert?

Eines Tages, es war Sonntag, ging ich Einkaufen. Als ich die 11. Straße in Bogotá passierte, sah ich an einer Straßenecke drei, vier oder fünf Kinder. Sie schliefen dort auf nacktem Beton. Es war am späten Vormittag, und ich ging an ihnen vorbei wie viele andere Fußgänger auch. Mich hat dieses Bild berührt. Nicht nur in Kolumbien, sondern überall in Lateinamerika leben Kinder auf der Straße. „La Historia de Juan“ macht sie zum Thema. Das Lied handelt davon, wie sie geboren werden, aufwachsen und verstoßen werden. Die Kinder verlangen nach Liebe, und die Leute stoßen sie zurück. Die Kinder verändern sich, werden schwieriger, verschlossener, verletzter. Das ist eine traurige Realität, und es ist schwer, daran etwas zu ändern.

Ihr letztes Konzert in Bogotá vor 48.000 Fans war ein Supererfolg. Sie haben das Konzert den Opfern des Bürgerkrieges gewidmet. Wie denken Sie über den Konflikt?

Wir haben das Konzert nicht allein den Opfern, sondern auch den Soldaten gewidmet, denn auch die sterben täglich im Kampf. Die Leute interessiert das nicht, man muss sie darauf aufmerksam machen, dass jeden Tag junge Menschen sterben – 30, 40 tote Soldaten jeden Tag. Ich wollte einfach ein positives Zeichen für diese Familien, deren Nachbarn und deren Söhne setzen.

Welche Bedeutung hat die traditionelle kolumbianische Musik, die in Ihren rockigen Popsongs immer wieder durchschimmert, für Sie?

Sie ist sehr wichtig. Ich begann als kleiner Knirps mit der Musik, und natürlich begann ich mit dem kolumbianischen Folk. Ich spielte Gitarre und habe bekannte Stücke nachgesungen. Kolumbianische, aber auch argentinische und kubanische Stücke. Zum Beispiel waren einige Songs der Nueva Trova von Silvio Rodriguez darunter. Mir hat auch Carlos Gardel und seine Art, den Tango zu interpretieren, sehr gefallen. Später kam der Rock dazu, aber die Folklore ist die Basis. Für mich ist die Verschmelzung dieser Musik mit anderen Musikstilen wie dem Rock die Rückkehr in meine eigene Kultur.

Ihrer aktuelle CD ist wesentlich ruhiger als das Debüt – warum?

Als ich Fijate Bien aufnahm beziehungsweise die Stücke schrieb, war ich in einer düsteren Stimmung. Ich war depressiv, traurig, zornig. Ich fuhr damals nach Los Angeles, um meinen eigenen Weg zu finden, es war eine Umbruchsituation. Als ich hingegen die Stücke von Un día normal schrieb, wollte ich eine andere Seite Kolumbiens zeigen. Eine schönere als sie Fijate Bien zeigt. Positive Elemente, wie der Familienzusammenhalt, Freundschaft, Licht und Hoffnung, das waren meine Themen. Deshalb geht es auf Un día normal ruhiger zu, auch in den Texten.

Interview: Knut Henkel

Heute, 20 Uhr, Große Freiheit