: Der krachlederne Patriarch
Als Wies’n-Wirt ist Karl-Heinz Wildmoser zu Geld gekommen. Als „Löwen“-Präsident zu Ruhm. Er führte den TSV 1860 von der dritten in die erste Liga. Doch sein Führungsstil fand nicht überall Gefallen
Einst war alles perfekt bei 1860 München. Unten tobte an der Seitenlinie der knorzige Trainer Werner Lorant, trat nach Wasserflaschen und rüpelte die Linienrichter an. Oben saß mit einer gewichtigen Aura von Selbstzufriedenheit, die den Tribünennachbarn noch in fünf Meter Entfernung die Sicht vernebelte, der Großgastronom Karl-Heinz Wildmoser, hielt sein krachledernes Gesicht mit dem imposanten Voralpenschnauzer in die Kameras und freute sich seines Daseins als berühmter und berüchtigter Fußball-Präsident.
Wildmoser und 1860 München, Wildmoser und Lorant – das war eine Erfolgsstory. Von den Niederungen der dritten Liga hatte der einst in Münchens nobler Gesellschaft gering geschätzte Gastwirt die „Löwen“ zurück ins fußballerische Oberhaus geführt. Am Ruhm und Format des FC Bayern konnte der Traditionsverein zwar auch mit Wildmoser nicht kratzen, aber immerhin in die Nähe des ungeliebten Stadtrivalen konnte er die Sechziger wieder führen. Beim Stadionbau trat der Wies’nwirt, der beim Oktoberfest eine Hühner- und Entenbraterei betreibt, sogar als gleichberechtigter Partner auf, was er sichtlich genoss. Für diese Genugtuung verprellte er ungerührt die angestammte Löwen-Anhängerschaft, die viel lieber ins alte Stadion an der Grünwalder Straße zurückkehren würde, als sich mit den verhassten Bayern das Olympiastadion oder eine ominöse Allianz-Arena zu teilen.
Aber um die Meinung anderer hatte sich Karl-Heinz Wildmoser ohnehin nie geschert. Den Verein führte er wie ein Wirtshaus, in dem es nur einen gab, der etwas zu sagen hatte – und das war er, Oberwirt und Löwenboss in einer Person. Ob er den Publikumsliebling Manfred Schwabl schnöde abservierte, weil der nicht zu seiner Weihnachtsfeier gekommen war; ob er einen anderen Publikumsliebling, Thomas Häßler, mit ein paar verbalen Fußtritten in die Wüste schickte, als dem zunehmend die Traumpässe missrieten; oder ob er ebenjenem Lorant nach einem 1:5 im Derby gegen Bayern den Laufpass gab – Wildmoser tat, was ihm gerade in den Sinn kam.
Mit dem Abgang des bizarren Werner Lorant begann jedoch auch die Aura des Präsidenten zu bröckeln. Wildmoser ohne Lorant, das war wie Max ohne Moritz oder McCartney ohne Lennon. Irgendwann rasierte er sich sogar den Schnauzer ab und wirkte plötzlich bloß noch wie ein simpler Fußballfunktionär mit Übergewicht. Zunehmend schlechtgelaunt verfolgte er die dürftigen Darbietungen seiner erst von Peter Pacult, dann von Falko Götz betreuten Mannschaft. Das lag zum einen an nachlassender Gesundheit – ein Magentumor wurde diagnostiziert und operiert, eine Herzoperation steht bevor – zum anderen an einer latenten Amtsmüdigkeit. „Du hast null Komma null Lebensqualität“, äußerte er sich einmal über sein Funktionärsdasein und sprach von Rücktritt.
Aus der Hand geben wollte der 64-Jährige sein 1992 begonnenes Zweit-Lebenswerk neben der Gastronomie aber nicht – zumindest nicht aus Familienhand. Deshalb baute er seinen Sohn Karl-Heinz jr. zum Geschäftsführer und designierten Nachfolger bei 1860 auf. Vor allem eine Sache fesselte ihn jedoch an den Verein: Die neue Arena und die Weltmeisterschaft 2006. „Das Eröffnungsspiel als Präsident erleben“, formulierte er als sein erklärtes Ziel.
Erste Anzeichen, dass Wildmoser, der vor zwei Jahren Edmund Stoibers Wahlkampf unterstützt hatte, es nicht immer genau nahm mit den gesetzlichen Bestimmungen, gab es, als er 2003 wegen Steuerhinterziehung vor Gericht stand und zu 27.000 Euro Geldstrafe verurteilt wurde. Wildmoser hatte an drei Fußballer verdeckt Gehälter gezahlt. Damals legten seine Anwälte übrigens großen Wert darauf, dass er aus den Transaktionen „keinerlei Vorteile“ gezogen habe. MATTI LIESKE