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Archiv-Artikel

Energiestörung im Tempel

Eigentümerin will Kulturzentrum RAW-Tempel räumen. Oder den Strom abstellen. Auf jeden Fall dort ein Stadtquartier errichten. Erst mal soll aber wieder vernünftig miteinander verhandelt werden

VON CHRISTIAN VATTER

Seit Jahren baut der Verein RAW-Tempel das ehemalige Reichsbahnausbesserungswerk an der Revaler Straße in Friedrichshain zu einem Kulturzentrum um. Seit Jahren streitet er sich mit der Vivico Real Estate GmbH, der Eigentümerin des Bahngeländes, um die Nutzung. Und gestern drohte mal wieder das Aus. Die Vivico wollte für drei der vier genutzten Gebäude den Strom kappen. Zuvor hatte sie den Verein zur Räumung aufgefordert.

Vivico hatte vom TÜV das Gelände testen lassen. Ergebnis: In den drei Gebäuden besteht eine Gefahr für Leib und Leben, weil Elektroinstallationen gravierende Bauschutzmängel aufwiesen. Mitglieder des Trägervereins haben den Beauftragten aber gestern den Zutritt verweigert, der Strom fließt erst mal weiter.

Die Fraktionen von PDS und SPD in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg äußerten „Unverständnis und Befremden“ über das Vorgehen von Vivico. Sie riefen dazu auf, dass Vivico, Bezirksamt und Verein „kooperativ“ die Zukunft des Geländes planen sollten. Daraufhin kündigte Vivico an, nun doch kurzfristig mit den Verantwortlichen reden zu wollen, um die Sicherheitsmängel schnell zu lösen. Warum dies vorher nicht geschehen ist, ließ sie offen. Firmensprecherin Nathalie Steinhauser betonte, dass die drei fraglichen Gebäude illegal genutzt würden. Als Eigentümerin sei man verantwortlich, wenn Personen zu Schaden kämen. Daher müsse schnell gehandelt werden. Handlungsbedarf sehen zwar auch die Tempel-Mitglieder, aber sie wollen selbst die Mängel beheben und nicht weichen.

Auf der ehemaligen Brache unweit der Warschauer Brücke sind seit 1998 viele kulturelle und soziale Angebote entstanden. „RAW-Tempel e. V.“ richtete Ateliers ein und schuf Veranstaltungsräume für Anwohner und Kulturschaffende. In Zusammenarbeit mit den Sozialämtern der Stadt entstand unter anderem auch ein Projekt für betreute Arbeit von Sozialhilfeempfängern. Und es gibt das Programm: „Arbeit statt Strafe“, bei dem Menschen gemeinnützig arbeiten können, wenn sie eine Geldstrafe nicht zahlen können.

Doch wer auf einem solchen Gelände etwas aufbauen will, muss sich mit dem Eigentümer einigen. Dies gestaltete sich in der Vergangenheit recht kompliziert: Erst gab es gar keinen Vertrag, dann einen Zwischennutzungsvertrag, der dann wieder gekündigt wurde. „Erst erwirkte Vivico gegen uns einen Räumungstitel für alle vier Gebäude, dann gab sie uns einen Mietvertrag für eines der Gebäude“, berichtet Vereinsmitglied Rainer Blankenburg. 2003 habe der Verein 400.000 Euro Fördermittel von der Europäischen Union bekommen, womit eben dieses Gebäude saniert wurde. Viele Leistungen seien durch Mitglieder ehrenamtlich und unentgeltlich erbracht worden. „Zwar sind die vier Gebäude denkmalgeschützt, aber es ist unklar, ob der Verein bleiben darf“, fügt Blankenburg hinzu. Denn Vivico will auf dem Gelände ein neues Stadtquartier errichten: Dieses soll „eine lebendige Mischung aus Wohnen, Kultur und Handel“ darstellen. Welche Rolle der RAW-Tempel dabei spielen soll, bleibt weiterhin unklar.