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Archiv-Artikel

Kaninchenkeule zwischen Wildschweinen

Die Gastrokritik: Hurra! Auch der äußere Südwesten Berlins hat jetzt ein nettes Lokal – das Waldhaus Ostermann

Es ist ein Idyll zwischen Riemeisterfenn und Krumme Lanke, aber man bekommt es nicht umsonst. Man muss es sich erst durch einen Spaziergang erarbeiten – das Waldhaus Ostermann ist nicht per Auto erreichbar. Das macht einerseits den besonderen Reiz dieses Lokals im Südwesten Berlins aus, andererseits müssen die Besucher dadurch immer dann den Nachhauseweg antreten, wenn es am schönsten ist: bei Sonnenuntergang – es sei denn, sie haben Taschenlampen dabei und keine Angst vor den in der Gegend frei laufenden Wildschweinen.

Wer den Weg hierher findet, kann je nach Tageszeit entweder Müsli oder belegte Baguettes frühstücken, Antipasti oder Kaffee und Kuchen essen, und zwischen zwei Hauptgerichten wie Kaninchenkeule und Zanderfilet und ein bis zwei Pasta-Gerichten von der alle zwei Wochen wechselnden Karte wählen. Die ist überschaubar und die Speisen sind in Ordnung. Auf die große Kür ist man hier nicht eingestellt, da bei schlechtem Wetter schnell mal die Gäste ausbleiben. Dafür sind die Preise für die Gerichte mit 9 bis 14 Euro auch nicht ungerechtfertigt hoch, wie an der Fischerhütte, dem Biergartenlokal am nahegelegenen Schlachtensee – einem ungemütlichen Rummelplatz, in dessen Nähe jeder freie Fleck von dicken Autos zugeparkt wird.

Das nach langen Jahren des zähen Briefwechsels von Inhaber und Ex-Tresor- und Schwarzenraben-Betreiber Dimitri Hegemann zu einem Café umfunktionierte Wasserwerk aus den 50er-Jahren ist so ziemlich das genaue Gegenteil. Ein Segen für jene Südwestberliner, die sich in überteuerten 08/15-Lokalen eher unwohl fühlen und deshalb nie wussten, wo sie in ihrem Bezirk gemütlich einen Kaffee trinken können.

Derzeit wird nur noch am Wochenende geöffnet. Aber auch da steht der geneigte Besucher manchmal vor verschlossenen Türen, wegen geschlossener Gesellschaft. Denn gefeiert wird im Ostermann inzwischen recht häufig, meistens Hochzeiten. Die Location ist aufgrund fehlender Nachbarn dafür wie gemacht, besonders wenn demnächst das riesige Kellergewölbe ausgebaut wird. Hegemann ist gerade dabei, eine Stiftung zu gründen, durch die dann in den Kellerräumen und rund ums Gebäude für Kunst- und Kultur-Events gesorgt werden soll. Ob die dichte Bewaldung rund um das Gebäude diese neuen Pläne überstehen wird, ist noch unklar. Dass das Ostermann im kommenden Sommer vermutlich kein Geheimtipp mehr ist, dagegen schon.

WALDHAUS OSTERMANN, Onkel-Tom-Str. 200, U-Bahn: U3 bis Onkel Toms Hütte, dann zu Fuß; waldhaus-ostermann.de; geöffnet: Sa., So. 10–18 Uhr und bei schönem Wetter. Vorsichtshalber anrufen! (0 30) 88 66  94 68. Zanderfilet 12,50 €, Cappuccino 2,30 €